Warum die Dividende später kommt

Deutscher Markt nun auch mit Record Date - Standard für europäische Wertpapierabwicklung

Warum die Dividende später kommt

Die Dividenden-Hochsaison steht bald vor der Tür, und bei den Unternehmen, die in diesem Jahr bereits eine Ausschüttung vorgenommen haben, zeigte der Blick ins Depot Überraschendes: Es dauert länger, bis die Dividende auf dem Konto gutgeschrieben wird. Dividenden werden nicht mehr am ersten Geschäftstag nach der Hauptversammlung ausgezahlt, sondern erst am dritten. Grund ist die Einführung des Record Date.Von Dietegen Müller, FrankfurtWer mit Dividenden und Kapitalmaßnahmen zu tun hat, muss sich mit einem neuen Standard anfreunden. So hat Siemens die Hauptversammlung am 1. Februar durchgeführt, aber die Dividende wurde den Aktionären erst am 6. Februar überwiesen.Wie das? Seit Anfang des Jahres gibt es auch im deutschen Markt den “Record Date”. In anderen Ländern ist dieser so genannte Bestandsstichtag schon länger gebräuchlich, vielen Investoren hierzulande aber kaum bekannt. Damit verbunden ist ein anderer zeitlicher Umgang in der Abwicklung und Auszahlung von Dividendenansprüchen und Bezugsrechten.Hintergrund der Einführung ist der von der Europäischen Union vorangetriebene Abbau von Markthindernissen in grenzüberschreitenden Kapitalmarktgeschäften, der sogenannten Giovannini-Barrieren. Hier geht es um die Barriere 3, die Unterschiede in der Regelung von Kapitalmaßnahmen, Eigentumsrechten und Verwaltung betrifft. Cum-ex-Schlupfloch gestopftDeutschland zählt mit Österreich – das den Record Date 2015 eingeführt hat – zu den letzten Ländern, die diesen Harmonisierungsschritt vornehmen. Auch Drittländer wie die Schweiz oder die USA kennen diesen Stichtag der Anspruchsberechtigung.Durch die Vereinheitlichung in der Abwicklung des Eigentumsanspruchs (Lieferung der Titel gegen Bezahlung) sowie der Zahlung der Dividende soll Missbrauch vorgebeugt werden. So wird ein Schlupfloch zur Durchführung der inzwischen nicht mehr zulässigen Cum-ex-Transaktionen geschlossen (vgl. BZ vom 22. 10. 2016). Die Kosten für die Investoren sollen verringert werden, da Korrekturbuchungen vermieden werden, wenn etwa der Käufer des Wertpapiers vor dem Tag des Dividenden- oder Bezugsrechteabgangs (Ex-Tag) ein Wertpapier gekauft hat und damit einen Anspruch (Market claim) erworben hat, der Transfer der Titel aber erst später abgewickelt wurde und somit der Verkäufer noch als Berechtigter erfasst war.Auch soll sichergestellt werden, dass bei einem Wertpapier, das in verschiedenen Märkten gehandelt wird, Investoren ihre Ansprüche gleichzeitig erfüllt erhalten, und zwar nach den Regeln des ausgebenden Zentralverwahrers (Issuer CSD). Sollten Differenzen auftreten und die Abwicklung wegen unterschiedlicher Daten nicht klappen, wird erwartet, dass sich bei einer Häufung der Fälle die EZB einschalten dürfte. Denn die Corporate-Actions-Joint-Working-Group-Standards (CAJWG) sind ein verbindlicher Bestandteil der Wertpapierabwicklungsplattform Target2-Securities (T2S) des Eurosystems, an die seit dem 6. Februar auch Deutsche-Börse-Tochter Clearstream angebunden ist. Es handelt sich um technisch weiter spezifizierte Standards der Corporate Actions Sub-Group (CASG) der EZB für “schwebende Settlements”. GesetzesänderungGemäß den europäischen Standards der CAJWG berechnen sich der Ex-Tag und Record Date wie folgt: Der Ex-Tag muss die Länge des Abwicklungszyklus – Standard sind heute zwei Tage (T+2) – abzüglich einen Arbeitstag vor dem Record Date liegen. Der Emittent muss den Standards zufolge mindestens zwei Bankarbeitstage vor dem Ex-Tag erklären, dass er die Dividende zahlt oder die Bezugsrechte ausgibt. In der Regel werden die Dividendenankündigungen aber schon einige Wochen früher gemacht und liegen der Einladung zur Hauptversammlung bei. Der Fälligkeitstag für die Zahlung (Payment Date) liegt dann einen Tag nach dem Record Date (vgl. Grafik). Wenn Geschäfte um den Dividendenstichtag bzw. Ex-Tag gehandelt werden, sind dadurch nun keine Korrekturbuchungen in den Kundendepots mehr notwendig, da diese aufgrund des Abwicklungszyklus bereits alle am Abend des Record Date verbucht sind.Der deutsche Gesetzgeber hat diese Standards als verbindliche Marktvorgaben anerkannt. So wurde der Bestandsstichtag für Dividenden im Aktiengesetz eingeführt (Paragraph 58, Absatz 4), wonach die Dividende am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss folgenden Geschäftstag fällig wird. Diese Regelung trat am 1. Januar 2017 in Kraft. “Der Anspruch ist am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss folgenden Geschäftstag fällig. In dem Hauptversammlungsbeschluss oder in der Satzung kann eine spätere Fälligkeit festgelegt werden”, heißt es im Gesetz. Die Tatsache, dass der Aktionär die Dividende erst zwei Tage später erhält, bedeute aber nicht, dass die Bank das Geld in der Zwischenzeit frei verwenden könne, heißt es, sondern, dass der Emittent zwei Tage länger über das Geld im Interesse des Aktionärs verfügen könne. Kupons außen vorBetroffen von der Neuregelung ist alles, was in Stücken notiert und einen Ex-Tag kennt. Bei der Ausgabe von Bezugsrechten findet die Notierung vor dem Record Date statt, was bedeutet, dass der Handel vor der Buchung durch den Zentralverwahrer beginnen kann. Abgesehen von Dividenden und Bezugsrechten betrifft dies auch Genussscheine.Instrumente ohne Ex-Tag, wie Kuponzahlungen oder die Rückzahlung von Optionsscheinen, sind davon nicht betroffen. Bei Fondsanteilen gibt es keine Gesetzesgrundlage, weshalb eine Vereinheitlichung freiwillig im Ermessen der Marktteilnehmer liegt. Allerdings empfiehlt der deutsche Fondsverband (BVI) eine einheitliche Umsetzung.