Sportartikelindustrie

Adidas-Chef Rorsted kämpft um einen anständigen Abgang

Nach der dritten Korrektur der Geschäftsprognose in diesem Jahr geht es für den Aktienkurs des Sportartikelkonzerns weiter abwärts. Das Vertrauen in Vorstandschef Kasper Rorsted schwindet immer mehr.

Adidas-Chef Rorsted kämpft um einen anständigen Abgang

Von Joachim Herr, München

Langsam den Abschied vorbereiten, das Büro ausräumen und ein paar Stunden weniger arbeiten: Für Kasper Rorsted (60) ist das nicht drin. Der Vorstandsvorsitzende von Adidas ist mehr denn je gefordert, so lange bis ein Nachfolger gefunden ist und mit der Arbeit in der Konzernzentrale in Herzogenaurach bei Nürnberg beginnt. Irgendwann im nächsten Jahr soll der Wechsel stattfinden, der seit August feststeht.

In diesen Wochen kämpft das Unternehmen mit so großen Schwierigkeiten wie seit Jahren nicht mehr. 2014 war die Lage ebenfalls sehr ernst. Rorsteds Vorgänger Herbert Hainer (68) hatte damals das Ge­schäft in den USA, dem größten Sportartikelmarkt, vernachlässigt und zu hohe Erwartungen und Investitionen in das Russland-Geschäft gesetzt. Adidas verfehlte die Ge­schäftsziele, doch Hainer bekam bis zu seinem Abschied im September 2016 noch die Kurve. Geschäft und Aktienkurs zogen kräftig an.

Rorsted ist ein besonders ehrgeiziger Manager, der Fehler knallhart bestraft – kaum vorstellbar, dass er Adidas und seinem Nachfolger so viele Schwierigkeiten hinterlassen will. Und bestimmt möchte sich der Däne einen besseren Abgang verschaffen, was seinem Vorgänger immerhin gelungen ist.

Lange Zeit mit Erfolg

Nach Henkel hatte Rorsted auch Adidas auf eine höhere Rendite und mehr Geld für die Aktionäre getrimmt. Damit hatte er lange Zeit Erfolg. Im August 2016 war er zu dem Sportartikelkonzern gekommen, im Oktober übernahm er von Hainer den Chefposten. Der Aktienkurs lag damals knapp über 150 Euro. Anfang August 2021 erreichte der Wert mit 336 Euro den Höchststand, das Tief im ersten Coronajahr 2020 war überwunden.

Doch es folgte ein nahezu ungebremster Absturz. Nach der zum dritten Mal in diesem Jahr gesenkten Prognose (vgl. BZ vom 21. Oktober) fiel der Kurs am Freitag in der Spitze um mehr als 11% und liegt mit rund 104 Euro so niedrig wie seit dem Frühjahr 2016 nicht mehr. Das Gewinnziel für dieses Jahr wurde von 1,3 Mrd. auf 500 Mill. Euro mehr als halbiert. Reaktionen von Analysten auf diese happige Änderung folgten prompt, einige senkten das Kursziel – zum Teil erheblich. Der Kommentar von der französischen Bank Société Générale: Adidas braucht dringend einen neuen Konzernlenker. Die Branchenbeobachter trauen Rorsted offenbar nicht zu, eine Wende zu schaffen.

Das Vertrauen in den Manager hat schwer gelitten, aber noch steht er in der Pflicht. Gleichzeitig mit den gesenkten Erwartungen gab das Unternehmen am Donnerstagabend „ein Programm zur Geschäftsverbesserung“ bekannt. Es sei „angesichts des herausfordernden Marktumfelds aufgelegt“ worden und ziele darauf ab, „die Profitabilität des Unternehmens im Jahr 2023 zu unterstützen“.

Die ärgsten Probleme bereitet Adidas der chinesische Markt, der bis vor einiger Zeit der profitabelste der ganzen Branche war. Für Adidas hatte China mit einem Anteil von rund einem Viertel des Umsatzes und sogar mehr als der Hälfte des Gewinns noch eine größere Bedeutung als für die Konkurrenten Nike und Puma. Die Lockdowns und Boykottaufrufe verderben das Geschäft aller westlichen Marken. Adidas machte zudem Fehler und brachte Produkte auf den Markt, die an den Vorlieben der chinesischen Kunden vorbeigehen. Rorsted gibt das auch zu.

Dass die Jahresprognose mehrmals revidiert werden musste, lag zudem daran, dass Rorsted und die anderen Vorstände lange an eine Erholung des chinesischen Marktes glaubten. Es wirkte wie das Pfeifen im Walde. Erst nach dem währungsbereinigten Rückgang um 35% im ersten Halbjahr bereitete Rorsted die Aktionäre darauf vor, dass es auch im gesamten Jahr mit einer deutlich zweistelligen Rate abwärtsgeht.

Trotz der Signale für eine Rezession kommt es etwas überraschend, dass die Nachfrage der Verbraucher auch in Nordamerika und Europa sinkt. In früheren Konjunkturflauten schlug sich die Branche recht wacker: Ein Paar Sportschuhe war in harten Zeiten für viele Konsumenten eher drin als eine neue Küche oder ein neues Auto.

Hoher Anspruch

Vor kurzem berichtete allerdings schon Nike, in Nordamerika mit Rabattaktionen den hohen Lagerbestand abbauen zu wollen. Adidas erwartet nun „verstärkte verkaufsfördernde Aktionen“. Die Warenvorräte des Unternehmens haben bis Ende September um fast zwei Drittel zugenommen. Zuvor wurde wegen der Lieferengpässe des Transports aus den asiatischen Fabriken der Lagerbestand, so gut es ging, aufgestockt. Nun wird das zur Last.

Gewiss, es sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie besonders harte Zeiten für viele Branchen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine mit seinen vielfältigen Folgen verschärft die Lage drastisch. Doch für Rorsted dürfte dies kaum ein Trost sein. Er wurde und wird den hohen Ansprüchen an sich selbst zum Ende der Zeit als Vorstandschef von Adidas nicht gerecht.

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