US-Geldpolitik

Ausgewogene Entscheidung

Die US-Notenbank stand vor dem schwierigsten Interessenkonflikt seit Jahren: Sie muss die Inflation weiter bekämpfen, will aber gleichzeitig verhindern, dass eine verschärfte Geldpolitik weitere Banken gefährdet. Diese Gratwanderung hat die Fed mit dem jüngsten Zinsbeschluss gemeistert.

Ausgewogene Entscheidung

Nach acht Zinserhöhungen in Folge sahen sich Jerome Powell und seine Kollegen im Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank mit einem ungewöhnlichen Zielkonflikt konfrontiert: Sollten sie angesichts der andauernd hohen Inflation wieder einen aggressiven Kurs steuern und den Leitzins um 50 Basispunkte anheben? Oder sollten sie in Anbetracht der Sorgen um die Finanzstabilität, die nach einer Serie von Bankenzusammenbrüchen deutlich zugenommen hatten, eine Zinspause einlegen und komplett auf eine Straffung verzichten? Indem die Fed einen Mittelweg beschritt und die Zielzone für den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,75 bis 5,0 % hoch­­schraubte, haben die Währungshüter die richtige Entscheidung getroffen.

Vorrangig muss die Notenbank nämlich die Geldwertstabilität im Auge behalten, die neben der Vollbeschäftigung ein Teil ihres dualen Mandats ist und somit zum Kerngeschäft der Fed zählt. Eine Woche vor Beginn der FOMC-Sitzung war der Verbraucherpreisindex für Februar veröffentlicht worden, wonach sich Konsumgüter im Vorjahresvergleich um 6,0 % und an der Kernrate gemessen um 5,5 % verteuerten. Der PCE-Preisindex, das bevorzugte Inflationsmaß der Notenbank, legte im Januar ohne die schwankungsanfälligen Komponenten um 4,7 % zu.

Beide Raten sind viel zu hoch und weit vom zweiprozentigen Inflationsziel der Notenbank entfernt. Gleichwohl liegen beide weit unter den Höchstständen, die zuvor erreicht worden waren. Das ist der Beweis dafür, dass die Kursverschärfung im Verlaufe des vorigen Jahres Wirkung gezeigt hat, und zwar ohne eine Rezessionsgefahr heraufzubeschwören. Ein aggressiverer Schritt als die beschlossenen 25 Basispunkte war folglich nicht notwendig.

Dabei unterlagen die Erwartungen im Vorfeld der Sitzung ungewöhnlich starken Schwan­kungen. Bei seinem Auftritt vor dem Senat, wo er den geldpolitischen Bericht der Fed vorlegte, sprach Powell von einem „langen und unebenen Weg“ im Kampf gegen die Inflation und betonte, dass die Notenbank weitere Zinserhöhungen beschließen werde, „bis der Job getan ist“. Prompt stieg die Wahrscheinlichkeit einer Straffung um einen halben Prozentpunkt. Nach den Pleiten der Silicon Valley Bank und Signature Bank wendete sich das Blatt, und auf einmal hieß es, dass eine Zinspause deswegen die wahrscheinlichste Variante sei, weil Powell nicht Ängste vor einer potenziellen Finanzkrise schüren wolle. Dann gingen Analysten nach dem Rettungsprogramm für die First Republic Bank fest davon aus, dass eine kleine Straffung um 25 Basispunkte anstehe.

Natürlich behält die Notenbank auch die Risiken für die Finanzstabilität im Auge. Gleichwohl hinkt der Vergleich zu 2008. Die Banken sind heute besser kapitalisiert und als Folge des Dodd-Frank-Gesetzes insgesamt weniger krisenanfällig – dies, obwohl die Regierung von Donald Trump die neue Finanzarchitektur teilweise aushöhlte und somit indirekt zu den jüngsten Pleiten beitrug. Ob noch die eine oder andere US-Bank vor dem Kollaps steht, ist ungewiss. Dass es aber falsch gewesen wäre, ihren Zinsbeschluss an diesem Restrisiko anstelle der hohen Inflation auszurichten, hat die Notenbank erkannt und so gesehen eine ausgewogene Entscheidung getroffen.

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