Glasfaserausbau

Das teure Vergnügen des Infrastrukturwettbewerbs

Die Telekom hat offensichtlich wenig Vertrauen in die Vorteile reziproker Vereinbarungen über die gegenseitige Nutzung von Glasfasernetzen mit den Wettbewerbern. Das sogenannte Open Access wird durch den Überbau von Glasfaser zum Lippenbekenntnis.

Das teure Vergnügen des Infrastrukturwettbewerbs

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Er „verstehe nicht genau, was Überbau eigentlich bedeuten soll“, sagte Telekom-Deutschland-Vorstand Srini Gopalan kürzlich im Interview der Börsen-Zeitung. Denn die Deutsche Telekom besinnt sich beim Glasfaserausbau auf den „Infrastrukturwettbewerb“. Der sei „politisch gewollt und davon profitieren die Kunden“, so der Telekom-Manager. Allerdings nicht alle, findet der Branchenverband VATM. Geschäftsführer Jürgen Grützner nennt das, was für den Marktführer beispielsweise auch in Köln „normaler Infrastrukturwettbewerb“ ist, „Rosinenpickerei“ in „wirtschaftlich besonders attraktiven städtischen Filetstücken“, – mit der Folge, dass sich für die Wettbewerber eine „sinnvolle Mischkalkulation von attraktiven und weniger attraktiven Ortsteilen“, die einen flächendeckenden Glasfaserausbau begünstigen soll, nicht mehr lohne. Damit greife die Telekom unmittelbar die Ausbauziele der Bundesregierung an, wettert der Verband.

Während die angesprochene Mischkalkulation für alle Unternehmen, auch für die Telekom, zweifelsohne ein wichtiger Faktor ist, um den Glasfaserausbau in der Breite voranzutreiben, sorgt sich der Konzern allerdings auch um seine Wettbewerbsfähigkeit, vor allem in Städten wie Köln, wo Unternehmen wie Netcologne schon früh mit dem Ausbau eines zukunftsträchtigen Glasfasernetzes begonnen und der Telekom erhebliche Marktanteile abgenommen haben. Gleiches gilt für Hamburg oder München.

Allerdings ist der nun plötzlich wieder so hoch gehaltene Infrastrukturwettbewerb ein wahrhaft teures Vergnügen, das die Telekom beim Glasfaserbau schon einmal erprobt hat. Der 2006 unter dem Stichwort „Regulierungspause“ in die Annalen eingegangene Paragraf 9a im Telekommunikationsgesetz, der den Bonner Konzern für das damals neue VDSL-Netz von einem Öffnungszwang zu regulierten Bedingungen befreite, richtete zuletzt mehr Schaden als Nutzen an. Denn das Recht, selbst die Vorleistungspreise für den Netzzugang festzulegen, klang wunderbar nach freier Marktmacht und hohen Erlösen, führte in der Praxis aber zu einem sehr unterausgelasteten Netz, das auf diese Weise keinen Return on Investment liefern konnte.

Auch heute hat die Telekom offensichtlich wenig Vertrauen in die Vorteile reziproker Vereinbarungen über die gegenseitige Nutzung von Glasfasernetzen mit den Wettbewerbern. Das sogenannte Open Access wird in ländlichen Regionen gern genommen – von allen Marktteilnehmern, die neue Netze bauen. In attraktiven städtischen Lagen wird dagegen die Ertragskraft einer eigenen Infrastruktur höher eingeschätzt – volkswirtschaftlicher Nutzen hin oder her.

Das Dilemma ist schwer aufzulösen. Die Telekom kann auf einen proportionalen Marktanteil in wirtschaftlich starken Stadtregionen ebenso wenig verzichten wie beispielsweise Vodafone auf Festnetz-Marktanteile in der Wohnungswirtschaft. Dort hatte der Mobilfunkriese über milliardenschwere Zukäufe von Kabelgesellschaften eine an sich leistungsfähige Festnetz-Infrastruktur übernommen, die jedoch dem Vergleich mit Glasfaser nicht standhält. Um Marktanteile zu sichern, entschied sich auch Vodafone nolens volens für einen teuren Überbau. Dennoch bleibt dieser ein unschöner Kraftakt, solange die Kundennachfrage für einen Anbieter allein noch keine hinreichende Auslastung garantiert. Und das könnte noch lange der Fall sein.

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