Impact Investing

Der „S“-Faktor ist bei Immobilien schwer messbar

Beim Impact Investing in Immobilien stehen bislang meist ökologische Fragen im Zentrum. Neue Scoring-Modelle könnten helfen, auch die soziale Komponente messbar zu machen.

Der „S“-Faktor ist bei Immobilien schwer messbar

Nicht nur bei Immobilieninvestitionen steht beim Thema ESG das „E“ im Zentrum, das für Umwelt („Environment“) steht. Das „S“, das für die soziale Komponente steht, fristet bisher ein Schattendasein. Das liegt zu einem Gutteil an ihrer schwereren Fassbarkeit. Welche sozialen und ge­sellschaftlichen Ziele können mit ei­ner Immobilie erreicht werden? Wie lässt sich messen, ob diese Ziele auch erreicht werden, also eine Wirkung (Impact) erzielt wird? Soziale und gesellschaftliche Aspekte müssen in die Renditeberechnung einfließen, es geht also um eine soziale Rendite als zusätzliche Rendite­dimension. Das ist alles an­dere als trivial.

Suche nach Investoren

Bevor man sich nun groß in die Suche nach sozialen Zielen bei Immobilieninvestments stürzt und die Frage zu beantworten versucht, wie man messen kann, ob diese Ziele erreicht wurden, stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt Investoren, die nach sozialen Gesichtspunkten investieren wollen, die den zusätzlichen Aufwand der Wirkungsmessung auf sich nehmen wollen und die auch bereit sind, mögliche Renditeeinbußen bei solchen Investments hinzunehmen bzw. einzukalkulieren?

Impact Investing, allerdings nicht nur zur Erzielung einer sozialen, sondern auch einer ökologischen Wirkung erreicht durchaus nennenswerte Größenordnungen. Das weltweite Marktvolumen der als Impact Investments eingestuften verwalteten Vermögenswerte hat das Global Impact Investing Network (GIIN) 2022 auf 1,16 Bill. Dollar geschätzt. Bei der In­­­­ternational Finance Corporation (IFC) sind es sogar 2,1 Bill. Dollar, heißt es in einer im Oktober 2022 er­­schienenen Marktstudie der Bundesinitiative Impact Investing (BIII). Für Deutschland schätzt der FNG-Marktbericht 2022 die Impact Investments bei Publikums- und Spezialfonds sowie Mandaten auf 29,9 Mrd. Euro, immerhin 80 % mehr als ein Jahr zuvor. Allerdings lag das Ge­samt­volumen nachhaltiger Geldanlagen laut FNG-Bericht zum 31.12.21 bei 501,4 Mrd. Euro (s. Grafik). Zahlen zum sozialen Anteil am Im­pact Investing gibt es nicht. Aber es herrscht Konsens, dass der weitaus größte Teil auf den ökologischen Teil entfällt – in erster Linie aufgrund der besseren Messbarkeit (zum Beispiel von CO2) – oder es sollen mit einer Investition beide Ziele erreicht werden.

Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland, des Berufsverbands der Immobilienprofis, verweist auf einige große internationale Pensionsfonds, die 10 bis 20% ihrer Kapitalanlagen für Social Impact Investments reserviert ha­ben. Darüber hinaus wollten Family Offices und hoch vermögende Privatpersonen ihren Anlagen einen Sinn geben. „Im Gefolge des Generationenwechsels streben die jüngeren Anleger nicht mehr ausschließlich nach monetären Renditen“, sagt sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Als weitere Investorengruppe nannte sie eigentümergeführte Unternehmen.

Wo wollen Investoren, die einen Social Impact erzielen wollen, investieren? Zu diesen und weiteren Fragen hat das Real Estate Management Institute der EBS im Auftrag des Instituts für Corporate Governance in der Immobilienwirtschaft ICG Experteninterviews geführt, die in diesem Monat veröffentlicht wurden (Studie 2 zum Praxisleitfaden Social Impact Investing: Social. Impact. Assetklassen – Zwischenbericht). Demnach wollen die meisten Investoren sozialen Impact bei allen Assetklassen er­reichen, nicht nur bei Wohnen. Quantifiziert im Sinne einer sozialen Rendite wird die Wirkung aber bei dieser Gruppe bisher nicht. Knapp zwei Drittel der Befragten sind aber überzeugt, dass die Erfüllung beziehungsweise Beachtung sozialer Kriterien die finanzielle Rendite eines Projekts positiv beeinflusst.

Letztlich erwarten die Investoren, dass der Gesetzgeber den konkreten Rahmen für die zu erfüllenden sozialen Aspekte einer Immobilie oder eines Immobilienensembles (Quartier) vorgibt. Das sieht auch Eickermann-Riepe, die neben ihrer RICS-Tätigkeit auch stellvertretende Vorstandsvorsitzende des ICG ist, so: „Wir brauchen eine Regulierung. Dann wird Social Impact für alle diejenigen, die es nicht beachten, zum Risiko und für alle die, die es beachten, zum Vorteil.“

Konkret geht es um einen „brown discount“ oder ein „social impact premium“. Wie sich dieser berechnen kann, ist aber noch völlig offen. Immerhin befürchten zwei Drittel der vom ICG befragten Investoren einen Wertverlust bei der Vernachlässigung eines sozialen Wertbeitrags. Als zweitgrößtes Risiko gilt in diesem Fall für knapp 45% ein möglicher Reputationsverlust. Wie wenig konkret Auswirkungen des Social Impact heute noch sind, zeigt sich nicht zuletzt bei der Finanzierung. Keiner der Befragten gibt an, durch die Beachtung sozialer Aspekte bei einem Immobilieninvestment Vorteile bei der Finanzierung zu erlangen.

Regulatorik ist wesentlich

Ändern könnte sich das durch Regulatorik, die für die Verbreitung von Social Impact Investing eine wesentliche Rolle spielen könnte. In der EU dürfte ein Meilenstein die Sozial-Taxonomie zur Identifizierung sozial nachhaltiger Investitionen werden, deren Verabschiedung die EU-Kommission allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben­ hat. Grundlage dieser Taxonomie wird der im Februar 2022 vorgelegte Abschlussbericht­ der Sus­taina­ble-Finance-Plattform der EU-Kommission sein.

Im Unterschied zur bereits vor­gelegten EU-Umwelt-Taxonomie, deren Ziele wissenschaftlich fundiert sind, werden die Ziele der zukünftigen EU-Sozial-Taxonomie aus international verbindlichen Normen wie den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) abgeleitet. Für Eickermann-Riepe ist allerdings klar: Ökologische und soziale Belange wachsen langfristig zusammen.

Als Hauptziele der sozialen Taxonomie (laut EU Platform on Sustainable Finance) gelten menschenwürdige Arbeit, ein angemessener Lebensstandard und das Wohlergehen der Endnutzer beziehungsweise Verbraucher sowie integrative und nachhaltige Gemeinschaften und Gesellschaften. Bei Letzterem geht es zum Beispiel um Kinderbetreuung, Integration von Behinderten, Minderheitenschutz und die Beteiligung der Betroffenen an Entscheidungsprozessen.

Wie Social Impact gemessen werden soll, ist offen. Es gibt aber durchaus schon Ansätze. Dazu gehört der Social Return on Investment (SROI). So könnte in einem Mietshaus eine Hausverwaltung das Sicherheitsgefühl der Mieter erhöhen. Ein monetärer Wert wird in einem Praxisbeispiel durch die Jahresprämie einer Hausratsversicherung gegeben.

Umfassender Ansatz

Einen sehr viel umfassenderen Ansatz verfolgt das ICG mit der Entwicklung eines Scoring-Modells. Basis für dieses Scoring-Modell sind wiederum die oben genannten drei Hauptziele der EU-Sozial-Taxonomie. Um den Social Impact aber konkret analysieren und messen zu können, wurden im Rahmen des Modells sieben Kategorien (Impact Cluster) definiert: Urban Mix, User Mix, Infrastruktur, Konnektivität, Identität, bebautes Umfeld und Workforce (s. Abbildung). Jeder Kategorie sind wiederum Einzelindikatoren (Key Performance Indicators/KPIs) zugeordnet, deren Erfüllung im Sinne des Social Impacts mit jeweils einem bis fünf Punkten bewertet wird.

Ein Punkt steht in diesem System für keinen Social Impact, das Investment entspricht dem allgemeinen sozialen Standard. Zwei bis drei Punkte gibt es für wirkungskompatible (impact-aligned) Investitionen, d. h. die realwirtschaftlichen Veränderungen werden durch detaillierte Beschreibungen von bereits realisierten Ergebnissen angegeben, und vier bis fünf Punkte werden für wirkungseffektive (impact-generating) Investitionen vergeben. Solche Investitionen leisten einen messbaren Beitrag zu sozialen Lösungen beziehungsweise einer entsprechenden Transformation der Realwirtschaft.

Diese Punktzahl wird im Scoring-Modell wiederum mit Hilfe der be­kannten Bedürfnis-Hierarchie nach Maslow gewichtet. Die endgültige Punktzahl ist die Summe der gewichteten Punkte. Wie Analyseraster und Messmodell dann in der Praxis genau aussehen, will das ICG im Frühjahr 2023 anhand der drei Gewinner des Anfang Dezember 2022 erstmals verliehenen­ Real Estate Social Im­pact Investing Awards zeigen.

ICG-Chefin Eickermann-Riepe betont, dass das Scoring-Modell für alle zugänglich sein und so zum Branchenstandard werden soll. „Die Nutzer sollen uns ihre Erfahrungen mitteilen, so dass das Modell ständig weiterentwickelt werden kann.“ Letzten Endes muss sich das Ausmaß des Social Impacts (auch) in finanzwirtschaftlichen Zahlen ausdrücken.

Bis dahin ist der Weg weit. Skeptiker erkennen zwar an, dass es auch im sozialen Bereich gewisse Mindestkriterien gibt, die ein Investment erfüllen soll oder muss. Scoring-Modelle gehen aber weiter und messen und gewichten soziale Kriterien. Dabei komme man schnell in eine politische Diskussion, so die oft gehörte Kritik. Will man das „S“ in ESG ernst nehmen, wird man aber darum nicht herumkommen.

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