Fiskalregeln

EU-Schuldenreform in Trippelschritten

Die EU-Staaten einigen sich auf Grundzüge einer Reform. Doch Finanzminister Christian Lindner sieht „noch viel Arbeit“. Und selbst die EU-Kommission zweifelt offenbar am selbstgesteckten Zeitplan.

EU-Schuldenreform in Trippelschritten

rec Brüssel

Die Finanzminister der 27 EU-Staaten haben sich auf Grundzüge einer Reform der gemeinsamen Schuldenregeln geeinigt. Wesentliche Fragen sind allerdings ungelöst und dürften in den kommenden Monaten Gegenstand von Kontroversen sein. „Es ist noch viel Arbeit vor uns“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Anschluss an die Beratungen mit seinen Kollegen und Vertretern der EU-Kommission. Dort ist von einem „ambitionierten“ Zeitplan die Rede, um die fällige Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts bis Jahresende zum Abschluss zu bringen.

Nach vier Jahren fiskalpolitischen Ausnahmezustands sollen ab 2024 wieder Grenzen für Defizit und Verschuldung in der EU greifen. Im Idealfall steht bis dahin die Reform des sanierungsbedürftigen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die kommt allerdings nur in Trippelschritten voran. Die EU-Kommission will in Kürze – voraussichtlich Anfang April – ihren Gesetzesvorschlag präsentieren.

Ihr jüngstes Vorgehen hat die Finanzminister in Zugzwang gebracht und zu Irritationen geführt. Just vor den wichtigen Beratungen der Finanzminister veröffentlichte die Behörde vorige Woche ihre haushaltspolitischen Leitlinien für 2024. Mehr noch: Sie verknüpft diese ein Stück weit mit ihren eigenen Reformvorstellungen. Das hat bei manchen Beteiligten für Missmut gesorgt, weil der Eindruck entstand, die EU-Kommission greife den Beratungen vor. Allen voran Finanzminister Lindner reagierte mit unverhohlener Kritik. „Wir haben gegenwärtig klare Regeln“, beharrte Lindner. „Auch die EU-Kommission arbeitet nicht in einem rechtsfreien Raum, sondern auf Basis klaren Rechts.“

Schon im Kreise der Eurogruppe war deshalb hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. In einer kurzfristig abgesprochenen Stellungnahme bekennen sich die Euro-Staaten zu der von Brüssel geforderten „umsichtigen“ Fiskalpolitik. Sie stellen dieses Versprechen allerdings explizit unter den Vorbehalt unsicherer Aussichten für die Energiepreise. „Sofern es nicht zu erneuten Preisschocks kommt, werden wir die Maßnahmen zur Unterstützung des Energiesektors weiter auslaufen lassen, was ebenfalls zur Verringerung der öffentlichen Defizite beitragen würde.“ Auf Betreiben Deutschlands vermied es die Eurogruppe, einen Zusammenhang zum laufenden Reformprozess herzustellen. Über die internen Diskussionen am Montag sagte Eurogruppenchef Paschal Donohoe: Es werde „weitgehend anerkannt“, dass es sich um zwei verschiedene Vorgänge handele.

Tags darauf, in großer Runde, beschlossen die 27 EU-Finanzminister im Ecofin-Rat allgemeine Prinzipien einer Reform. Einigkeit besteht, die zentralen Kriterien beizubehalten: Die Neuverschuldung bleibt demnach auf 3% der Wirtschaftsleistung begrenzt, die Schuldenquote auf 60% – beides Kriterien, die in der Vergangenheit in vielen Fällen an der Realität gescheitert sind. Zentrale Steuerungsgröße sollen künftig die Nettoprimärausgaben sein, also Staatsausgaben abzüglich Kosten für den Schuldendienst. Letztere sind im Zuge der Zinswende stark gestiegen.

Umstritten ist, wie sehr die Fiskalregeln künftig der individuellen Situation der EU-Staaten Rechnung tragen. Einige würden ihre Pläne zum Schuldenabbau am liebsten bilateral mit der EU-Kommission aushandeln. Dort stößt die Idee auf Sympathien, im deutschen Finanzministerium auf Ablehnung. Mit ihren Ratsschlussfolgerungen machen die Finanzminister einen Schritt zu mehr Flexibilität, auch weil sie Reformen und Investitionen stärker berücksichtigen wollen. Auf Drängen Deutschlands geloben sie indes, den Schuldenabbau nicht ewig aufzuschieben.

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