Tobias Mock

S&P erwartet Verdoppelung der Kreditausfälle

Die Ausfallrate bei Unternehmen mit einem Rating im spekulativen Bereich wird sich 2023 in Europa voraussichtlich auf 3,25 % verdoppeln. Das erläutert S&P-Deutschlandchef Tobias Mock im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

S&P erwartet Verdoppelung der Kreditausfälle

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Nur drei Kreditausfälle gab es 2022 in Deutschland – die Glücksspielfirma Löwen Play sowie die Verpackungsfirma Schur Flexibles, die inzwischen dem Finanzinvestor Apollo gehört, und der Immobilieninvestor Corestate Capital. So ruhig wird es in diesem Jahr nicht weitergehen. S&P-Deutschlandchef Tobias Mock erwartet aufgrund der der steigenden Zinsen und wegen der steigenden Energiekosten bei schrumpfender Nachfrage eine deutlich zunehmende Zahl an Defaults.

„Die Ausfallrate bei Unternehmen mit einem Rating im spekulativen Bereich wird sich 2023 aller Voraussicht nach in Europa auf 3,25 % verdoppeln“, sagte Mock im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Im langjährigen Vergleich wäre das noch immer nicht ungewöhnlich viel.“ Das seien dann in Deutschland drei oder vier Unternehmen.

Dass es nicht noch mehr Ausfälle gebe, liege daran, dass ein großer Teil des ausstehenden Schuldenvolumens erst 2024 fällig wird. Der starke Anstieg sei vor allem auf drei Fakoren zurückzuführen. Erstens bringen die höheren Zinsen Unternehmen, die hoch verschuldet sind und sich jetzt refinanzieren müssen, in Bedrängnis. „Rund 30 % der Unternehmen im spekulativen Rating-Bereich haben eine Bonitätsnote von „B−“ und sind also hoch verschuldet“, sagte Mock. „Sie müssen aktuell zweistellige Schuldzinssätze zahlen.“ Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass die Investoren risikoaverser geworden seien und somit höhere Risikoaufschläge forderten.

„Die Anzahl der Unternehmen, die vor der Refinanzierung einen Schuldenschnitt benötigen, wird daher unserer Ansicht nach steigen“, sagte Mock voraus. „Zweitens verursachen die höheren Energiekosten Probleme, besonders in der Chemieindustrie.“ Und drittens gebe es weniger Nachfrage. Das betreffe vor allem Unternehmen der Konsumgüterindustrie. „Die Zahl der Unternehmen, denen in den nächsten zwei Jahren harte Zeiten bevorstehen, ist deutlich gewachsen“, warnte Mock. „Im Investment-Grade-Bereich ist der Zinsaufschlag, den Investoren verlangen, geringer. Aber der Sturm trifft die hoch verschuldeten Unternehmen mit voller Wucht.“

Von den 115 Unternehmen in Deutschland, die ein öffentliches Rating von S&P anfertigen lassen, haben rund die Hälfte eine Bonitätsnote im spekulativen Bereich. Am stärksten gefährdet sind gemessen am Rating die Firmen mit einem „B−“-Rating oder schlechter und negativem Ausblick. Als Kreditausfall wertet S&P, wenn Unternehmen ihren Gläubigern einen Kapitalschnitt aufdrängen („Distressed Exchange Offer“) oder Zins und Tilgung nicht wie vereinbart zahlen – oder wenn sie Insolvenz anmelden.

Insgesamt stehen rund 1,1 Bill. Euro an Schulden bei den 115 deutschen Unternehmen aus, die von S&P geratet werden. Von dieser riesigen Summe ist nur ein kleiner Bruchteil gefährdet. Der Großteil der Schulden liegt bei großen Unternehmen mit solidem Investment-Grade-Rating. Zu den Top-10-Schuldnern weltweit zählen VW, Daimler, BMW und Deutsche Telekom, die alle ein Investment-Grade-Rating haben.

Zu den am schlechtesten gerateten Unternehmen in Deutschland gehören Corestate Capital in Luxemburg sowie die Adler Group in Luxemburg und Takko Fashion in Luxemburg. Corestate hatte Mitte November vor der möglichen Insolvenz gewarnt, kurz darauf aber doch eine Einigung mit wesentlichen Gläubigern erreicht. Auch die Adler Group erhielt die Zustimmung von mehr als 60 % ihrer Anleihegläubiger, um die Bedingungen der Anleihen abzuwandeln und so die Schuldenlast zu mildern. Bei Takko Fashion handelt es sich derweil um ein Modeunternehmen im Münsterland aus dem Portfolio des britischen Finanzinvestors Apax. Noch 2018 hatte Takko an die Börse gehen sollen. Gegründet wurde der Filialist 1982 als Modea von der Hettlage-Gruppe. 1990 stieg der Tengelmann-Konzern als Mehrheitsgesellschafter ein. Die Bewertung von 1,2 Mrd. Euro entsprach 2010 beim Verkauf an Apax dem 7,6-Fachen des Ebitda. Die Fremdfinanzierung von 600 Mill. Euro stemmten damals Deutsche Bank und Unicredit sowie Nomura und BNP Paribas.

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