Stahlindustrie

Thyssen beendet Durststrecke für Aktionäre

Zurück auf Los: Nachdem Thyssenkrupp im abgelaufenen Turnus erste Früchte der Transformation ernten konnte, macht die drohende Rezession größere Zukunftsträume jedoch zunichte.

Thyssen beendet Durststrecke für Aktionäre

ab Essen – Thyssenkrupp hat drei Jahre harter Sanierungsarbeit hinter sich und ist dennoch nicht am Ziel. Das machte Vorstandschefin Martina Merz auf der Bilanzpressekonferenz deutlich: „Wir haben nicht alles geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Aber wir haben Fortschritte gemacht beim Umbau zu einer Gruppe weitgehend selbständiger, leistungsfähiger Geschäfte.“ Zumindest ein Versprechen aus dem Vorjahr wird eingelöst. Nach drei dividendenlosen Jahren sollen 0,15 Euro je Aktie oder 93 Mill. Euro in Summe ausgeschüttet werden.

Zwar haben die Essener auch im abgelaufenen Turnus knapp 500 Mill. Euro (Free Cashflow vor M&A) „verbrannt“, doch sieht Finanzchef Klaus Keysberg die Bilanz nicht zuletzt dank einer Nettofinanzposition von 3,7 Mrd. Euro und einer Eigenkapitalquote von fast 40 % insoweit gestärkt, dass die Ausschüttung darstellbar ist. Zumindest bei der Krupp-Stiftung wurde das Ende der ausschüttungslosen Zeit begrüßt. „Das Unternehmen hat das Potenzial, wieder nachhaltig wettbewerbs- und damit langfristig dividendenfähig zu werden“, hieß es seitens der Großaktionärin, deren einziger Vermögenswert die Beteiligung an dem Traditionskonzern ist.

Der trübe Ausblick für das neue Geschäftsjahr kam an der Börse jedoch nicht gut an, unabhängig davon, dass Thyssenkrupp mit Ausnahme des Cashflow sämtliche Finanzziele erreicht oder gar übererfüllt hat. Der MDax-Wert gab in der Spitze um 3,6 % nach. Die Kursreaktion ist insoweit verständlich, als die Essener für das im Oktober angelaufene Geschäftsjahr unterm Strich nur mit einem ausgeglichenen Ergebnis kalkulieren nach einem Überschuss nach Anteilen Dritter von 1,1 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis wird nur noch im mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbereich angesiedelt nach gut 2 Mrd. Euro im Vorjahr.

Einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Herausforderungen lieferte das vierte Quartal, in dem der Auftragseingang im Konzern bereits um 27 % zurückging und das bereinigte operative Ergebnis um annähernd ein Drittel einbrach.

Im neuen Turnus wird einzig in den Segmenten Automotive Technology und Marine Systems mit leichten Ergebnisverbesserungen kalkuliert, während im Werkstoffhandel und bei Steel Europe – die beiden Segmente steuerten dank der hohen Stahlpreise 2021/22 zusammen gut 2 Mrd. Euro ins operative Ergebnis ein – mit deutlichen Ertragsrückgängen gerechnet wird.

Erst im Schlussquartal brachen die Stahlpreise weg, was im Werkstoffhandel einen operativen Verlust von 104 Mill. Euro bescherte. Steel Eu­rope profitierte dagegen noch von langlaufenden Lieferverträgen. Hier schnellte das operative Ergebnis im Schlussquartal auf 221 (i.V. 29) Mill. Euro in die Höhe. Im Januar stehen die Vertragsverhandlungen mit den Automobilkunden an, dann wird sich zeigen, inwieweit es Thyssenkrupp gelingt, die gestiegenen Energiepreise weiterzureichen. Hatte der Aufbau des Working Capital aufgrund der gestiegenen Inputpreise verhindert, dass Thyssenkrupp den Mittelabfluss stoppen konnte, verlieren die Essener das Ziel nicht aus den Augen. „Das hat Priorität“, machte Merz klar.

Den weiteren Portfolioumbau will Merz zwar „weiter mit vollem Einsatz vorantreiben“. Für M&A sei derzeit jedoch nicht die richtige Zeit. Unverändert sei der Vorstand überzeugt, dass die Stahlsparte in Eigenständigkeit gute Perspektiven habe, doch solange keine Klarheit bezüglich der Rahmenbedingungen herrsche, ließen sich auch keine Entscheidungen treffen. Konkret brauche es mehr Gewissheit über die weitere Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise, zur konjunkturellen Entwicklung und zum Förderregime für grünen Stahl. Auf Eis liegt auch der geplante Börsengang von Thyssenkrupp Nucera. Der Zeitpunkt hänge in erster Linie von der Situation an den Kapitalmärkten ab. Zur Wachstumsfinanzierung brauche Nucera die Börse jedoch nicht, beschied Merz.

Thyssenkrupp
Konzernzahlen* nach IFRS
in Mill. Euro2021/222020/21
Auftragseingang44 29739 571
Umsatz41 14034 015
Bereinigtes Ebit2 062796
Ebit1 827451
Finanzergebnis– 343– 385
Periodenergebnis1 220– 25
 Thyssen-Aktionäre1 136– 115
Free Cashflow vor M&A– 476– 1 273
Nettofinanzposition3 6673 586
Eigenkapitalquote (%)39,329,5
*) Geschäftsjahr zum 30.9.Börsen-Zeitung
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