Wohnungsbau

Verheddert in Zielkonflikten

Der Einbruch des Wohnungsbaus in Deutschland hat nicht nur mit rapide gestiegenen Baukosten und Zinsen zu tun, sondern auch mit Zielkonflikten und inkonsistenten Prioritäten in der Politik.

Verheddert in Zielkonflikten

­Mit der Wiederbelebung des Bundesbauministeriums und vollmundigen Versprechen versucht die rot-grün-gelbe Bundesregierung, ein Signal für einen Aufbruch in der Wohnungspolitik zu setzen. 400 000 neue Einheiten pro Jahr sollen entstehen, steht im Koalitionsvertrag. Schon nach 15 Monaten ist klar: Daraus wird nichts. Der Wohnungsverband GdW rechnet mittelfristig mit nur 200 000 Fertigstellungen im Jahr, halb so viele wie die Regierung versprochen hat. Das verschärft die Wohnungsnot gerade in den Städten weiter. Fachleute veranschlagen das Versorgungsloch auf 700 000 Einheiten.

Das Debakel hat viel zu tun mit den rapide gestiegenen Zinsen und der drastischen Verteuerung von Energie und Baumaterialien. Es ist aber auch eine Folge von Zielkonflikten mit anderen Politikfeldern und unabgestimmten Prioritätensetzungen. Das zeigt sich beispielsweise in der Zuwanderungspolitik. Jahr für Jahr kommt eine sechsstellige Zahl von Asylbewerbern nach Deutschland, ergänzt um die – politisch gewollte – Arbeitsmigration. Aus der Ukraine sind mehr als eine Million Flüchtlinge gekommen, und viele werden bleiben. Aber um die Frage, wo die Zugewanderten über die Erstunterbringung hinaus mit ihren Familien wohnen sollen, kümmert sich die Politik herzlich wenig. Dabei wäre der Jahrestag des russischen Einfalls in die Ukraine ein guter Anlass gewesen, hier Flagge zu zeigen.

Des Weiteren steht die Wohnungsbaupolitik im Konflikt mit den vielen Reglementierungen im Mietrecht. Denn sie machen Vermietung weniger attraktiv. Zwar gelten Regelungen wie die Mietpreisbremse nicht für Neubauten, aber Vermieter gehen davon aus, dass sich das mit den Jahren ändert, weil ihre Objekte dann in den Altbestand rutschen. Mit den weiter steigenden Mieten werden die Rufe nach einer Mietrechtsverschärfung lauter, etwa durch Regulierung indexierter, also an die Verbraucherpreise gekoppelter Mieten. In Berlin hat sogar eine Mehrheit der Bevölkerung für die Enteignung großer Wohnungskonzerne gestimmt – ein Szenario, das weiter im Raum steht, auch wenn es durch den mutmaßlichen Schwenk der SPD zu einer schwarz-roten Koalition fürs Erste in den Hintergrund tritt.

Die größten Zielkonflikte bestehen mit der Umwelt- und Klimapolitik. Immer höhere energetische Standards und ökologisch motivierte Vorgaben treiben die Baukosten in die Höhe. Im Zentrum steht die Verringerung der CO2-Emissionen, aber auch Themen wie Flächenversiegelung, Artenschutz, Fassadenbegrünung und Solardächer spielen eine Rolle. Mit der Neugestaltung der Förderkulisse konzentriert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Geld auf Bereiche, in denen die höchste Kohlendioxid-Einsparung zu erwarten ist. Und das ist nicht der Neubau, sondern die energetische Sanierung des Bestands. Die Folge: Der Neubau fällt bei der Förderung zusehends hinten runter. Besonders deutlich wurde das vor einem Jahr, als die Neubauförderung gestoppt wurde, weil die Geldtöpfe leer waren. Plötzlich standen Immobilienentwickler und Bauherrn im Regen. Inzwischen fließt zwar wieder Förderung, aber die Bedingungen sind an einen höheren – und damit teureren – energetischen Standard geknüpft. Aus Klimasicht ist das sinnvoll, aber es verteuert das Bauen noch mehr.

Die Refinanzierung der sprunghaft gestiegenen Neubaukosten über die Vermietung fällt zunehmend schwerer. Die dafür notwendigen Miethöhen wollen oder können Normalverdiener nicht zahlen. Das gilt erst recht für Geringverdiener, denen es schon heute schwerfällt, ihre Mieten zu schultern. Der größte deutsche Vermieter Vonovia hat dieses Spannungsfeld ins Rampenlicht katapultiert mit der Ankündigung, in diesem Jahr keine Neubauprojekte mehr zu beginnen. Begründung: Kaltmieten für Objekte, die früher für 12 Euro pro Quadratmeter angeboten wurden, müssten nun Richtung 20 Euro gehen, um die Erstellungskosten von 5 000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen. Außerhalb von Städten wie München und Frankfurt sei das völlig illusorisch. Dabei baut Vonovia keine Luxusappartements, sondern Wohnungen für die breite Bevölkerung. Andere Wohnungsgesellschaften – seien es private, öffentliche oder genossenschaftliche – reagieren ähnlich auf Zinswende und steigende Baukosten.

Nun ist guter Rat teuer. Notwendig wäre ein Doppel-Wumms, also ein großes Wohnungsprogramm. Doch das überfordert die staatlichen Finanzen. Auch die immer wieder geforderte Entflechtung der unzähligen Bauvorschriften kommt nicht voran. Die Menschen müssen damit leben, dass die Wohnungssuche in Deutschland in den nächsten Jahren noch herausfordernder wird.

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