Arne Wittig, Deloitte Law

„Vom Chief Legal Officer werden Führungs­entscheidungen verlangt“

Unternehmensjuristen werden immer mehr Aufgaben übertragen. General Counsel agieren verstärkt als Chief Legal Officer auf Vorstandsebene – mit Führungsverantwortung.

„Vom Chief Legal Officer werden Führungs­entscheidungen verlangt“

Sabine Wadewitz

Herr Wittig, wie hat sich das Berufsbild des Unternehmensjuristen in den vergangenen Jahren geändert?

Die Erwartungen sind gewachsen; vor allem durch drei Entwicklungen. Früher war es primäre Aufgabe der Rechtsabteilung, Rechtsrisiken zur vermeiden, durch Rechtsrat und Vertragsformulierung. Heute wird die aktive Mitgestaltung des gesamten Geschäfts verlangt, von Prozessen bis zu Produkten – was neben exzellenten Rechtskenntnissen ein profundes Verständnis des Geschäfts und der Unternehmensstrategie verlangt.

Was hat sich noch verändert?

Früher hat die Rechtsabteilung gekostet, was immer die Kosten waren – und stand meist unter dem Zwang, durch Personalabbau zu sparen. Heute wird erwartet, dass die Rechtsabteilung ein Budget verwaltet und selbst verantwortet. Dies verlangt Entscheidungen, welche Leistungen angeboten werden, wie die Effizienz gesteigert werden kann und wie viel externe Beratung eingekauft wird – Make or Buy.

Und drittens?

Typisches Arbeitsprodukt der Juristen, auch im Unternehmen, war der Schriftsatz; meist lang und kompliziert. Heute wird Legal Technology intelligent eingesetzt – bei den eigenen Arbeitsprozessen, bei der Informationsbeschaffung, bei der Beratung, bei der Kommunikation und Berichterstattung bis hin zu Self-Service-Portalen für die Geschäftsbereiche. Exzellente Unternehmensjuristen müssen deshalb heute auch über gutes Technologie- und Prozessverständnis verfügen.

Der General Counsel wird zunehmend als Chief Legal Officer auf Vorstandsebene eingesetzt. Mit welcher Verantwortung?

Exzellente General Counsel waren immer in unternehmerische Entscheidungen eingebunden, aber plakativ formuliert sehe ich folgenden Unterschied: Der General Counsel ist vertrauter Berater des Vorstands – aber nicht aktiver Mitgestalter und Mitentscheider. Vom Chief Legal Officer wird dagegen erwartet, im Management-Team gemeinsam über die Unternehmensführung und -strategie zu entscheiden. Dabei steht der Chief Legal Officer primär in der Verantwortung für die rechtlichen Aspekte, aber eben auch in der Gesamtverantwortung für die Leitung des Unternehmens.

Inwieweit geht die Position des Chief Legal Officer über die Rolle des Chefjustiziars hinaus?

Vereinfacht: Der Chefjustiziar muss exzellenten Rechtsrat erteilen und Rechtsrisiken vermeiden. Vom CLO als Mitglied des Senior-Management-Teams, der sogenannten C-Suite, werden darüber hinaus Führungsentscheidungen verlangt, die selbstverständlich die rechtlichen Grenzen des unternehmerischen Handelns beachten, aber auch bestmögliche Geschäftsergebnisse erzielen. Dazu reichen exzellente juristische Fachkenntnisse nicht aus, sondern es ist ein tiefes Verständnis des Geschäftsmodells und der Unternehmensstrategie erforderlich – und darüber hinaus hervorragende Kommunikation, um alle Beteiligten, intern und extern, mitzunehmen.

Mit welchen internen Stakeholdern ist er primär im Austausch?

Die Aufgabe der CLO ist eine echte Querschnittsfunktion im Unternehmen, weil jedes unternehmerische Handeln dem Legalitätsprinzip unterliegt. Dementsprechend muss die CLO im ständigen Austausch mit ihren KollegInnen in der Geschäftsleitung stehen, aber auch mit den Geschäftsbereichen und Stabsabteilungen. Im Aufsichtsrat ist Hauptansprechpartner für die CLO häufig der Prüfungsausschuss, aber sobald das Unternehmen substanziellen Rechtsrisiken ausgesetzt ist, erwartet der gesamte Aufsichtsrat eine fortlaufende Unterrichtung.

Bietet es sich an, das Risikomanagement in die Verantwortlichkeit des CLO zu nehmen?

Gerade im Bankenbereich wird das Rechtsrisiko als eines der operationellen Risiken angesehen. Damit liegt nahe, das gesamte Risikomanagement in eine Hand zu legen. Deshalb sehen wir nicht nur bei Banken, dass die Leiterin der Rechtsabteilung an den Chief Risk Officer berichtet, also der CRO auch als CLO fungiert. Typisch sind auch Gestaltungen, bei denen in der Geschäftsführung Legal, Compliance und einige andere Risikomanagementbereiche, zum Beispiel Versicherungen, in einer Hand liegen.

Arne Wittig ist Of Counsel bei Deloitte Law, spezialisiert auf Bankrecht und Legal Management Consulting.

Die Fragen stellte .

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