Kommunikation

Was, der hat noch gelebt?

Die Gruppe Deutsche Post DHL stellt zum Jahreswechsel den Telegramm-Service ein, und die Deutsche Telekom schaltet Ende Januar die verbliebenen öffentlichen Telefone ab.

Was, der hat noch gelebt?

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Jeder kennt das. Aus den Nachrichten erfährt man vom Tod einer bekannten Persönlichkeit, z.B. eines Schauspielers, dessen große Zeit im öffentlichen Leben aber selbst als Darsteller von Großvater-Rollen eine gefühlte Ewigkeit zurückliegt und von dem man seit vielen Jahren nichts mehr gehört hat. Und man ertappt sich bei dem etwas pietätlosen Gedanken: „Was, der hat noch gelebt?“

So ähnlich ist das nun mit dem Telegramm. Gibt es dieses Angebot überhaupt noch? Das hätte man sich fragen können, wenn es einem nicht vollkommen egal gewesen wäre. Denn dieses Kommunikationsmittel verwendet doch schon seit Dekaden kaum noch jemand. Nun teilt die Deutsche Post mit, dass der Telegramm-Service zum Jahresende eingestellt wird. Das Angebot sei zuletzt kaum noch genutzt worden, begründet ein Unternehmenssprecher den Schritt und bestätigt damit das subjektive Empfinden wohl aller Nutzer modernerer Kommunikationswege. Die Post folge damit dem Beispiel vieler anderer Postunternehmen weltweit, heißt es weiter.

Das Telegramm ist im 19. Jahrhundert erfunden worden. Da es zu jener Zeit die einzige Möglichkeit war, Nachrichten vergleichsweise schnell zu überbringen, setzte es sich selbst (oder gerade) an entlegenen Orten durch, weswegen Vielen bei dem Wort Telegramm Bilder aus alten Wildwestfilmen durch den Kopf gehen, in denen ein bebrillter älterer Herr mit Ärmelschonern eine wichtige Nachricht in den Fernschreiber eintippt. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das Telegramm eine der schnellsten Möglichkeiten, wichtige Informationen zu übermitteln. Der im Post- oder Telegrafenamt persönlich oder telefonisch diktierte Text wurde dabei meist per Fernschreiber zu einem Post- oder Telegrafenamt in der Nähe des Empfängers übermittelt und dann per Bote zugestellt.

Da sich der in der Regel recht hohe Preis für ein Telegramm nach der Zahl der Worte richtete, entwickelte sich ein eigener Sprachstil mit Kurzformen statt kompletten Sätzen. Eine typische Formulierung war etwa: „Ankomme Samstag 20 Uhr Oma“.

Todesstoß durch Smartphone

Mit der Verbreitung des Telefons und erst recht mit dem Aufkommen von Internet und Smartphone verlor das Telegramm aber dramatisch an Bedeutung. Zuletzt sei es von Privatkunden kaum noch genutzt worden, heißt es. Firmen hätten es zuweilen noch für Mahnungen genutzt, aber auch das sei immer seltener geworden. Das ist allerdings auch kein Wunder: Denn die Preise für ein Telegramm waren trotz des Bedeutungsverlustes weiter gesalzen. Ein Mini-Telegramm mit bis zu 160 Zeichen kostete zuletzt mindestens 12,57 Euro, ein Maxi-Telegramm mit bis zu 480 Zeichen 17,89 Euro – in der einfachen Variante. Mit Schmuckblatt wurden 21,98 Euro fällig.

Das Telegramm ist allerdings nicht das einzige in die Jahre gekommene Telekommunikationsangebot, von dem sich die Verbraucher in Deutschland in Kürze verabschieden müssen. Wie die Deutsche Telekom bereits im Oktober angekündigt hat, werden Ende Januar die letzten verbliebenen öffentlichen Telefone abgeschaltet.

Seit Ende November kann man an den rund 12000 übrigen Geräten nicht mehr mit Bargeld zahlen. Ende Januar endet auch die Möglichkeit, die Telefonsäulen mittels Telefonkarten zu nutzen.

Der erste „Fernsprechkiosk“ war 1881 in Berlin aufgestellt worden. Zu Hochzeiten gab es in Deutschland mehr als 160000 Telefonzellen. Doch sie verschwanden in den vergangenen Jahrzehnten allmählich aus dem Stadtbild, weil sie spätestens mit der Verbreitung des Mobilfunks kaum noch jemand nutzte.

Fast jedes dritte öffentliche Telefon habe 2021 keinen einzigen Euro Umsatz gemacht, berichtete die Telekom im Oktober. Der Durchschnittserlös je Standort liege nur noch bei wenigen Euro im Monat. Das stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten für den Unterhalt. Bis die letzten Telefonsäulen und -häuschen abgebaut sein werden, wird es den Angaben zufolge aber wohl 2025 werden.

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