Türkei

Anti-Erdogan-Bündnis will Parlament stärken

In der Türkei gilt eine Wende in der verhängnisvollen Wirtschaft- und Währungspolitik nur bei einem Machtwechsel als möglich. Ein Bündnis mehrerer Oppositionsparteien hat weitreichende Pläne für die Wahlen vorgestellt.

Anti-Erdogan-Bündnis will Parlament stärken

rec Frankfurt

Ein breites Bündnis der Opposition in der Türkei will die Macht des Präsidenten beschneiden und Parlament sowie Rechtsstaat stärken. Das geht aus einem Entwurf für Verfassungsänderungen hervor, den ein halbes Dutzend Oppositionsparteien im Vorfeld der Wahlen in Ankara vorgestellt hat. Der Plan ist gegen den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gerichtet, der seine Macht im Zuge einer Volksabstimmung 2017 stark ausgebaut hat.

Spätestens für Juni 2023 sind in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen anberaumt. Gerade an den Finanzmärkten gelten die Wahlen als richtungsweisend. Denn Erdogan hat mit seiner unorthodoxen Wirtschafts- und Währungspolitik wiederholt für schwere Verwerfungen beispielsweise an den Devisenmärkten gesorgt. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Außenwert der Lira zu Dollar und Euro weit mehr als halbiert.

Eine Trendwende halten Experten nur bei einem Machtwechsel für realistisch. Insgesamt sechs Parteien in der Türkei machen dafür gemeinsame Sache. Ihr erklärtes Ziel ist die Abwahl von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und dessen Regierungspartei AKP, die seit mehr als 20 Jahren die Macht in der Türkei hat. Einen gemeinsamen Gegenkandidaten haben sie bislang allerdings noch nicht verkündet.

Mit dem nun vorgestellten Plan für eine Verfassungsänderung zielen sie darauf, die Verfassungsreform von 2017 teilweise zu revidieren. Sie markierte den Übergang vom Parlaments- zum Präsidialsystem, das dem Staatspräsidenten mehr Befugnisse zulasten von Parlament und Justiz verliehen hat. Politische Beobachter wie Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik sahen die Türkei deshalb schon vor Jahren auf dem „Weg zur faktischen Alleinherrschaft“ Erdogans.

In der Tat hat der Staatspräsident von dieser Machtfülle immer wieder Gebrauch gemacht. So hat Erdogan die Notenbank mit Gefolgsleuten besetzt, um die erwünschten Zinssenkungen sicherzustellen. Die Zentralbank hat den Leitzins gegen den einhelligen Rat von Experten gerade in den einstelligen Bereich gesenkt, obwohl die Inflation außer Kontrolle ist. Offiziell liegt die Inflation jenseits von 80%, Kritiker halten aber selbst diese Werte noch für geschönt. Der Grund ist, dass Erdogan wiederholt leitendes Personal des Statistikamts ausgetauscht hat. Deshalb trauen Beobachter und Teile der Opposition den offiziellen Daten kaum noch.