Konjunktur

Auftragspolster der Industrie so dick wie nie

Der Auftragsbestand der deutschen Industrie ist im Juni erneut auf einen Rekordwert geklettert – wegen des Materialmangels kann er aber weiter nicht abgearbeitet werden. Es gibt aber Zeichen minimaler Entspannung.

Auftragspolster der Industrie so dick wie nie

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie sitzt auf einem so hohen Auftragspolster wie nie. Wegen des Materialmangels kann der rekordhohe Bestand an Bestellungen jedoch nicht entsprechend in Produktion umgemünzt werden – auch wenn es geringfügige Entspannungssignale gibt. Beim Niedrigwasser allerdings zeichnet sich nur eine kurzfristige Entspannung ab.

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) war der reale (preisbereinigte) Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe im Juni kalender- und saisonbereinigt 0,5% höher als im Vormonat. „Damit hat der Auftragsbestand einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015 erreicht“, teilten die Wiesbadener Statistiker mit. Dabei nahmen die offenen Aufträge aus dem Inland um 2,0% zum Vormonat zu, wohingegen die aus dem Ausland um 0,3% sanken (siehe Grafik). Im Jahresvergleich stieg das Niveau des Auftragsbestands um 14,1%. Die Reichweite ist auf 8,0 Monate zurückgegangen, nachdem sie in den vergangenen beiden Monaten auf dem Rekordhoch von 8,1 Monaten gelegen hatte. Die Reichweite gibt an, wie lange theoretisch bei gleichbleibendem Umsatz ohne Neubestellungen produziert werden müsste, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.

Laut Destatis hätte der Auftragsbestand im Juni sogar noch stärker steigen können: Angesichts von Korrekturmeldungen im Bereich der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen lag dort der Auftragsbestand um 30,4% unter dem Niveau des Vormonats. Dadurch ergab sich bei den Produzenten von Konsumgütern ein Minus von 5,9%. Ohne Berücksichtigung der Konsumgüter stieg der Auftragsbestand im gesamten verarbeitenden Gewerbe laut Destatis um 0,7%.

Ursache für den immer länger werdenden Auftragsstau ist weiter die anhaltende Knappheit an Vorprodukten. „Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltender Verwerfungen durch die Coronakrise führen nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge“, hieß es bei Destatis. Den Umfragen des Ifo-Instituts zufolge ergibt sich allerdings eine minimale Entspannung: Im Juli gaben 73,3% der befragten Industrieunternehmen an, von Engpässen und Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen betroffen zu sein. Im Juni waren es noch 74,1% nach 77,2% im Mai. Allerdings bleibt die Situation in den Kernbranchen der Industrie kritisch: In der Elektroindustrie, dem Maschinenbau und in der Automobilbranche berichteten weiter rund 90% von Problemen. „Neben der grundsätzlichen Knappheit bei elektronischen Komponenten tragen weiterhin auch Probleme in der weltweiten Logistik, insbesondere im Schiffsverkehr, zu den Beschaffungsproblemen bei“, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Innerhalb der kommenden Tage dürften immerhin die Wasserstände aufgrund der angekündigten Niederschläge im gesamten Rheineinzugsgebiet wieder ansteigen, teilte das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein am Mittwoch mit. Die 14-Tage-Vorhersage deute darauf hin, dass die Wasserstände bis Ende kommender Woche um 50 Zentimeter und mehr steigen. Nach dem Durchlauf der Welle dürften die Wasserstände dann aber wieder zurückgehen. Die Probleme sind auch Folge der in den vergangenen Jahrzehnten zu geringen Investitionen in die Infrastruktur – etwa in die Rhein-Vertiefung, mit der auch bei sehr niedrigem Wasserstand die Binnenschifffahrt am Laufen gehalten werden könne. „Das gehen wir jetzt an“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

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