Finanzmarktturbulenzen

Bank of England greift doch ein

Die Bank of England hat überraschend ins Marktgeschehen eingegriffen. Doch statt am Devisenmarkt zu intervenieren oder den Leitzins zu erhöhen, kündigte sie an, Gilts mit langer Laufzeit zu kaufen.

Bank of England greift doch ein

hip London

Die Bank of England hat angekündigt, in unbegrenzter Menge britische Staatsanleihen (Gilts) mit langen Laufzeiten aufzukaufen. Damit erreichen die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die damit begannen, dass Schatzkanz­-ler Kwasi Kwarteng am Freitag seinen Wachstumsplan vorstellte, einen neuen Höhepunkt. Zuvor hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) die geplanten Steuersenkungen kritisiert. „Die Natur der Maßnahmen wird wahrscheinlich die gesellschaftliche Ungleichheit vergrößern“, hieß es in dem Statement. Bis zur geplanten Vorlage ihres Haushaltsplans am 23. November habe die britische Regierung nun Zeit, ihre Steuervorhaben zu überdenken, insbesondere solche, die Großverdienern zugutekommen. Auch die Ratingagentur Moody’s hatte sich kritisch zu den von der Regierung geplanten Maßnahmen geäußert.

„Signifikante Neubewertung“

Wie die Bank of England bekannt gab, wird sie ab Mittwoch (28.9.) „vorübergehend“ britische Staatsanleihen (Gilts) erwerben, deren verbleibende Laufzeiten mehr als 20 Jahre betragen. „Der Zweck dieser Käufe ist die Wiederherstellung ordentlicher Marktbedingungen“, heißt es in der Mitteilung. „Die Käufe werden in jeglichem Ausmaß erfolgen, das zur Erreichung dieses Ergebnisses erforderlich ist.“ Im Lichte der wesentlichen Neubewertung britischer und globaler finanzieller Assets beobachte die Bank die Entwicklungen an den Finanzmärkten sehr genau. Die Neubewertung sei „am Vortag signifikanter geworden“ und betreffe insbesondere Gilts mit langen Laufzeiten. „Sollte die Dysfunktionalität dieses Markts anhalten oder sich verschlimmern, wäre das ein wesentliches Risiko für die britische Finanzstabilität“, argumentiert die Notenbank. Das Ergebnis wäre eine nicht gerechtfertigte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und eine Reduzierung der für die Realwirtschaft zur Verfügung stehenden Kredite. Das Finanzstabilitätskomitee der Notenbank habe die Anleihenkäufe am Mittwoch dringend empfohlen. „Diese Käufe sind zeitlich streng begrenzt“, heißt es in der Mitteilung der Notenbank.

Bis zum 14. Oktober sollen an jedem Wochentag entsprechende Auktionen stattfinden, bei denen zunächst Staatsanleihen für bis zu 5 Mrd. Pfund gekauft werden. Die Gilts sollen „auf reibungslose und ordentliche Weise“ wieder abverkauft werden, sobald sich die Risiken für das Funktionieren der Märkte wieder gelegt haben. Das vom geldpolitischen Komitee (MPC) gesetzte Ziel, den seit der Finanzkrise zusammengekauften Anleihenbestand binnen 12 Monaten um 80 Mrd. Pfund zu verringern, bleibe davon unberührt. Die ersten Gilt-Verkäufe seien für den 31. Oktober geplant.

Am Markt kam das Hin und Her der Bank of England schlecht an. Tags zuvor hatte Chefvolkswirt Huw Pill auf einer Konferenz eine „signifikante geldpolitische Reaktion“ auf die Maßnahmen der Regierung in Aussicht gestellt, allerdings erst auf der nächsten MPC-Sitzung im November (vgl. BZ vom 27. September). Nun einzuschreiten „riecht nach Panik und Frustration darüber, dass die Regierung nicht nachgeben will“, schrieb die Analystin Susannah Streeter von Hargreaves Lansdown. Zudem hatten viele auf eine vorgezogene Zinserhöhung spekuliert, aber nicht auf eine vorübergehende Neuauflage von Quantitative Easing. Das Pfund bewegte sich nach kurzer Erholung wieder auf das Anfang der Woche erreichte Tief gegen den Dollar zu. Die Anleihenrenditen sanken zunächst, stiegen dann aber erneut.

Pensionsfonds in Not

„In den letzten Tagen wurden sowohl auf dem Markt für konventionelle als auch für indexgebundene Staatsanleihen heftige Verkäufe getätigt“, erläuterte Sandra Holdsworth, Head of Rates bei Aegon Asset Management. „Dies hat zu einer enormen Nachfrage nach Bargeld geführt, um die bei Pensionsfonds beliebten Derivatstrukturen zu stützen. Die Barmittel wurden durch den Verkauf weiterer Gilts beschafft, was zu einem Preisverfall führte, und der Kreislauf geht weiter.“

Die Intervention des IWF rief im Umfeld der Regierung Empörung hervor. „Der IWF hat sich stets für eine höchst konventionelle Wirtschaftspolitik ausgesprochen“, sagte der ehemalige Brexit-Verhandlungsführer David Frost dem „Telegraph“. „Dass man dieser Herangehensweise gefolgt ist, hat Jahre niedrigen Wachstums und schwacher Produktivität hervorgebracht.“ Das Schatzamt stellt sich hinter die Notenbank und bekräftigte sein Bekenntnis zu deren Unabhängigkeit. „Die Regierung wird weiterhin eng mit der Bank zusammenarbeiten, um ihre Ziele für Finanzstabilität und Inflation zu unterstützen“, teilte das Ministerium mit.

Wertberichtigt Seite 2

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