EU-Reaktionen auf Italien-Wahl

Brüsseler Unkenrufe

Im EU-Parlament befürchten viele Abgeordnete, dass der Ausgang der Italien-Wahl nichts Gutes für die EU bedeutet. In den Parteien aus dem rechten Spektrum in ganz Europa ist hingegen der Jubel groß.

Brüsseler Unkenrufe

ahe Brüssel

Im Europaparlament haben Abgeordnete verschiedener Fraktionen davor gewarnt, dass das Wahlergebnis in Italien enorme negative Auswirkungen auf die EU haben könnte. Italien steuere mit einer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf eine „antidemokratische und antieuropäische Regierung“ zu, erklärte Rasmus Andresen, der Sprecher der deutschen Grünen-Abgeordneten. „Angesichts der aktuellen Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die Inflation und die explodierenden Energiepreise droht ein wichtiger Partner für die europäische Zusammenarbeit wegzubrechen.“

Ähnlich äußerte sich auch Jens Geier, Chef der deutschen SPD-Abgeordneten im Parlament. „In den vergangenen Jahren war das EU-Gründungsmitglied Italien eine sichere Bank für gemeinsame europäische Initiativen“, betonte er. Unter Melonis Führung drohe die drittgrößte Volkswirtschaft der EU nun in das Lager der Regierungen von Polen und Ungarn zu wechseln, welche die Staatengemeinschaft in ihrer jetzigen Form abschaffen wollten.

„Nationale Alleingänge statt pro-europäische Verlässlichkeit sind ein besorgniserregender Ausblick“, analysierte auch Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP). Umso mehr müsse Italien jetzt in die Pflicht genommen werden: „Weiterhin klare Kante gegenüber Putin ist angezeigt, aber auch kein Ausscheren bei einer gemeinsamen Lösung der Energiekrise.“

Die EU-Kommission hielt sich am Montag bedeckt. Ein Sprecher verwies darauf, dass die Behörde nie die Ergebnisse nationaler Wahlen kommentiere. Die Bundesregierung wollte den Wahlausgang ebenfalls noch nicht umfassend bewerten. Italien sei aber ein sehr europafreundliches Land mit sehr europafreundlichen Bürgern, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. „Und wir gehen davon aus, dass sich das nicht ändert.“

Eine klare Ansage kam von Frankreichs Premierministerin Élisabeth Bor­ne. „In Europa haben wir eine Reihe von Werten, und natürlich werden wir aufmerksam sein, dass diese Werte hinsichtlich der Menschenrechte und des Rechts auf Ab­treibung von allen respektiert werden“, sagte sie mit Blick auf den Wahlausgang in Italien in einem Interview.

Gratulationen kamen hingegen vom polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS-Partei und von anderen europäischen Politikern aus dem rechten Lager. Frankreich, Schweden und nun Italien zeigten, dass „dem Konservatismus“ die Zukunft gehöre, erklärte Nicolaus Fest, Chef der AfD-Abgeordneten im EU-Parlament. „Wir jubeln mit Italien“, schrieb seine Berliner Parteikollegin Beatrix von Storch.

Jubel bei Europas Rechten

Frankreichs Rechtsnationalistin Marine Le Pen twitterte ihre Glückwünsche und schrieb, Meloni habe „den Drohungen einer antidemokratischen und arroganten Europäischen Union“ standgehalten. In Spanien sprach der Chef der rechts­populistischen Vox-Partei, Santiago Abascal, davon, dass „Millionen Europäer“ ihre Hoffnungen nun auf Italien setzten. „Meloni hat den Weg für ein stolzes, freies Europa mit souveränen Nationen gewiesen.“

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber verwies mit Sorge vor allem auf die hohen italienischen Staatsschulden und die bereits in den vergangenen Monaten gestiegenen Refinanzierungskosten für das Land: „Italien darf den Finanzmärkten keinen Grund liefern, nervös zu werden“, warnte Ferber. Die Staatsverschuldungsquote könne sich bei steigenden Risikoaufschlägen sehr schnell zu einem handfesten Problem auswachsen. „Jetzt wäre der schlechtmöglichste Zeitpunkt für eine neue Staatsschuldenkrise.“

Ökonomen halten allerdings vor allem mittelfristig Konflikte mit Brüssel in der Finanzpolitik für möglich. „Italien wird wieder zum politischen Wackelkandidaten“, sagte Jörg Zeuner, Chefökonom der Fondsgesellschaft Union Investment. Spannend werde vor allem die nächste Haushaltsplanung. Auch der EU-Wiederaufbaufonds könne noch zum Zankapfel werden.

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