Konjunktur

Dämpfer für deutsche Industrie

Die Auftragseingänge der deutschen Industrie sind zwar wegen der schwachen Auslandsnachfrage im Mai unerwartet kräftig zurückgegangen. Der Konjunkturzuversicht schadet dies aber nicht, wie die aktuelle ZEW-Umfrage zeigt.

Dämpfer für deutsche Industrie

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie hat im Mai zwar erstmals in diesem Jahr und überraschend weniger Neuaufträge eingesammelt als im Vormonat, doch bewahren sich Ökonomen ihren Optimismus für die weitere konjunkturelle Entwicklung. Ebenso wie die vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Finanzmarktexperten – auch wenn das ZEW-Konjunkturbarometer im Juli sowohl für Deutschland als auch den Euroraum deutlich nachgegeben hat.

Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge brach der Auftragseingang des verarbeitenden Gewerbes im Mai um 3,7% zum Vormonat ein (siehe Grafik). Ökonomen hatten zwar ein Plus von 1,0% erwartet, relativierten aber den überraschenden ersten Rückgang in diesem Jahr. Denn die Wiesbadener Statistiker hatten zugleich die Orderzahlen vom April nach oben revidiert. So verzeichnen sie nun ein Plus von 1,2% gegenüber März statt des zuvor vermeldeten Rückgangs um 0,2%.

Für das Minus machen Ökonomen mehrere Gründe aus, unter anderem die Lieferengpässe. „Die bestehenden Bestellungen schneller abzuarbeiten, ist ein größeres Problem für die deutschen Firmen als die Akquise neuer Aufträge“, sagte ING-Ökonom Carsten Brzeski. „Die Auftragsbücher sind mehr als reichlich gefüllt.“ Der Auftragsbestand liegt Destatis zufolge aktuell auf einem Rekordhoch und selbst ohne Neuaufträge würde es bei gleichbleibenden Umsätzen 7,0 Mo­na­te dauern, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Der im Mai im Monatsvergleich um 0,5% gesunkene reale Umsatz lässt erwarten, dass auch die Produktion, über die Destatis am Mittwoch berichtet, im Mai gesunken ist.

Für Martin Moryson, DWS-Chefvolkswirt Europa, zeigen sich die Lieferengpässe etwa in der Automobilindustrie, die 9,6% weniger Aufträge als im Vormonat erhalten hatte. Auch das Bundeswirtschaftsministerium, das die Auftragseingänge weiterhin oberhalb des Vorkrisenniveaus sieht, bezieht sich auf den wichtigsten deutschen Industriezweig.

Ausschlaggebend für den Bestellrückgang sei die schwächere Auslandsnachfrage (−6,7%). Dabei seien vor allem die Aufträge aus dem Nicht-Euroraum deutlich zurückgegangen (−9,3%), und zwar vorrangig in der Kfz-Branche (−14,4%). Dies sei vor allem als eine Normalisierung gegenüber den außerordentlichen Steigerungsraten von 10,6% im April zu sehen, teilte das Ministerium mit. Dass die Inlandsaufträge um 0,9% zulegten liege auch an der verbesserten Auftragslage im gewichtigen Maschinenbau (+0,8%).

Kurzarbeit weiter rückläufig

„Die Industrie hat weiterhin gute Quartale vor sich, aber vermutlich endet nun langsam die Sondernachfrage“, resümiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen sieht ebenfalls ein Ende des Nachfragebooms in der Industrie und warnt, dass das Produktionsplus nach dem Überwinden der Lieferketten-Probleme kleiner ausfallen könnte, als die Stimmungsindikatoren erwarten lassen. Dass es für die Industrie derzeit gut läuft, zeigt sich auch an der Zahl der Kurzarbeiter in der Industrie, die laut Ifo-Institut im Juni von 387000 auf 257000 Menschen gesunken ist. In der deutschen Wirtschaft insgesamt ist die Zahl der Kurzarbeiter von 2,3 auf 1,5 Millionen Menschen und damit den niedrigsten Stand seit Februar 2020 zurückgegangen. „Vor allem in den Branchen mit Lockerungen der Corona-Maßnahmen gingen die Zahlen stark zurück“, erläuterte Ifo-Umfrageexperte Stefan Sauer.

Die 180 vom Mannheimer ZEW befragten Analysten und institutionelle Anleger zeigten sich im Juli zwar zurückhaltender als im Vormonat, doch rechneten sie „in sechs Monaten mit einer überdurchschnittlich positiven gesamtwirtschaftlichen Lage“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach das unerwartet deutliche Minus der ZEW-Kon­junkturerwartungen um 16,5 auf 63,3 Punkte. Dies sei aber ein „sehr hohes Niveau“. Erstmals seit zwei Jahren überschritt die Lagebeurteilung wieder die Nulllinie. Mit dem Plus von 31,0 auf 21,9 Zähler wird die Lage ähnlich eingeschätzt wie Anfang 2019. „Die Normalisierung der Wirtschaftsentwicklung geht weiter“, resümierte Wambach. Der Blick auf den Euroraum fällt ähnlich aus: Die Konjunkturerwartungen fallen (−20,1 auf 61,2 Punkte) während die Lagekomponente steigt (+30,4 auf 6,0 Punkte).