Steuerprivilegien

Dem Staat entgehen 80 Mrd. Euro

Ein Millionärsclub will mehr Steuern zahlen. Ein ziviles Bündnis aus #taxmenow, Finanzwende und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit erklärt, wie das am besten geht.

Dem Staat entgehen 80 Mrd. Euro

wf Berlin

Zur Unterzeichnung einer Petition „Steuerprivilegien kippen“ ruft ein zivilgesellschaftliches Bündnis um die Bürgerbewegung Finanzwende auf und startet zwei Wochen vor der Bundestagswahl eine Kampagne zur höheren Belastung von Reichen. Die Bürger sollen sich mit ihrer Unterschrift „für eine faire Besteuerung“ starkmachen. Allein die zehn größten Steuerprivilegien kosteten den Staat mindestens 80 Mrd. Euro im Jahr, sagten Vertreter von Finanzwende, dem Netzwerk Steuergerechtigkeit sowie #taxmenow, einer Initiative von Millionären, vor der Presse.

Gerhard Schick, Gründer der Finanzwende, Alleinvorstand und früherer Bundestagsabgeordneter (Grüne), sprach von einem „Kleinhacken des Steuersystems“, wo es um die Besteuerung von großen Vermögen und Kapitalerträgen gehe. „Schritt für Schritt wurde unser Steuersystem ausgehöhlt“, sagte Schick. „Die Interessen der gesamten Gesellschaft zogen immer wieder den Kürzeren, wenn es um hohe Kapitalerträge und große Vermögen ging.“ Für die Initiative #taxmenow wies Stefanie Bremer darauf hin, dass die oberen 10% der Vermögenden 65% der Vermögen hielten, die unteren 10% aber nur über 3% verfügten. Vermögen sollten gerechter verteilt sein und leichter aufgebaut werden können, sagte Bremer, die unter einem Pseudonym auftritt und nach eigenen Angaben Millionenerbin in einer Unternehmerfamilie ist. „Ich sehe nicht, wo eine Vermögenskonzentration dem Allgemeinwohl dient“, sagte sie.

Schick zählte eine langjährige Reihe zur Steuerentlastung von Reichen auf, darunter Steuersatzsenkungen, Ausnahmen und Aushöhlung der Besteuerung: die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer und das Aussetzen der Vermögensteuer in den 1990er Jahren unter Schwarz-Gelb, die Unternehmenssteuerreform und der Möglichkeit, Dividenden in Familienholdings „steuerfrei zu horten“, Anfang der 2000er Jahre unter Rot-Grün, die Einführung der Abgeltungsteuer 2009 unter der großen Koalition, die Kapitalerträge gegenüber der Lohnsteuer begünstige. Schick führt die Entwicklung auf den starken Einfluss von Lobbygruppen zurück, den er als Abgeordneter hautnah erlebt habe. Namentlich hob er die Stiftung Familienunternehmer und den Verband Die Familienunternehmer hervor. Diese hätten die härteste Lobbyschlacht um die Erbschaftsteuer geführt. Unternehmenserben habe dies allein von 2009 bis 2013 rund 25 bis 30 Mrd. Euro an Steuern erspart.

Bei der Schätzung der Steuerprivilegien (siehe Tabelle) stützt sich das Bündnis auf verschiedene Quellen wie parlamentarische Anfragen oder den Subventionsbericht des Bundes. Keine belastbaren Zahlen liegen zu steuervermeidenden Cum-ex- und Cum-cum-Geschäften um den Dividendenstichtag vor. Bei der Abgeltungsteuer geht das Bündnis von Steuereinbußen aus, die durch den anonymen Einzug an der Quelle möglich würden. Familienholdings könnten mit Körperschaftsteuer vorbelastete Dividenden bis zur Ausschüttung steuerfrei vereinnahmen. Für die entfesselten Finanzmärkte setzt das Bündnis die Einnahmen aus der noch nicht beschlossenen Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein, die es in der Tradition der abgeschafften Börsenumsatzsteuer sieht. Spekulation bleibe aktuell steuerfrei.

Diese Steuerlücken sollen geschlossen werden
in Mrd. Euro
Ausnahmen von der Erbschaftsteuer 6
Cum-ex- und Cum-cum-Dividendengeschäftekeine Angaben
Kapitalerträge – Abgeltung anonym und pauschal keine Angaben
Immobiliengewinne – steuerfrei verkauft6
Unternehmensgewinne in Steueroasen17
Spitzensteuersatz auf Talfahrt 14,5
Gewinne in der Familienholding – steuerfrei6
Ausgesetzte Vermögensteuer9,5
Entfesselte Finanzmärkte 17
Mieteinnahmen – gewerbesteuerfrei 1,5
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