GastbeitragNotenbankbilanz

Die Bundesbank sollte Wertpapiere verkaufen

Die Verlustausweise der Bundesbank werden noch ein paar Jahre anhalten, sind aber das kleinere Übel gegenüber dem Kollaps des gesamten Finanzsystems, kommentiert Matthias Hillmer, ehemaliger Leiter Gesamtbankberatung und Leiter Verbriefungen bei der DZ Bank.

Die Bundesbank sollte Wertpapiere verkaufen

Gastkommentar

Bundesbank sollte Wertpapiere verkaufen

Die Deutsche Bundesbank hat – nicht unerwartet – für das letzte Jahr einen Verlust von 21,6 Mrd. Euro verzeichnet, der nur durch die Auflösung ihrer kompletten Rückstellungen bilanziell ausgeglichen werden konnte. Damit verbleiben für die kommenden Abschlüsse praktisch keine Puffer mehr, um weitere Negativabschlüsse zu vermeiden.

An der prekären Ertragssituation der Bundesbank wird sich auch in den nächsten Jahren nichts Grundlegendes ändern. Hintergrund dieser Erwartung ist, dass die geldpolitisch motivierten Ankäufe von festverzinslichen Wertpapieren über die Ankaufsprogramme APP und PEPP von über 1 Bill. Euro weitgehend aus der Zeit sehr niedriger bis sogar negativ rentierlicher Bundesanleihen stammen und sich derzeit nach Angaben der Bundesbank nur zu 0,37% verzinsen.

Auf der Passivseite dominieren dagegen seit 2020 die kurzfristigen Einlagen der Geschäftsbanken. Diese im Zuge der Stützungsmaßnahmen der Bundesbank geschaffene Liquidität wird zum überwiegenden Teil in der Einlagenfazilität und damit zum Einlagensatz der Bundesbank von derzeit 4% gehalten. Rein rechnerisch kostet der Aktivüberhang der Bundesbank derzeit bis zu 20 Mrd. Euro Zinsergebnis p.a., geht man grob von einer Erhöhung der Einlagenzinsen um 4% seit Juni 2022 aus.

Kommunikative Herausforderung

Zusätzlich darf dabei nicht vergessen werden, dass die Marktwertverluste auf die erworbenen Wertpapiere noch gar nicht in den Abschluss der Bundesbank eingeflossen sind. Diese werden im Einklang mit der EZB zu fortgeführten Anschaffungskosten und nicht zu Marktwerten bilanziert. Hieraus resultieren auf dem Marktzinsniveau von Ultimo 2023 weitere 80 bis 100 Mrd. Euro Vermögensverluste, die sich erst im Lauf der nächsten Jahre in der GuV der Bundesbank niederschlagen. Die Bundesbank wird daher auf mehrere Jahre hinaus ein negatives Jahresergebnis ausweisen, gehen die Zinsen nicht wieder massiv und dauerhaft zurück.

Der Gastautor: Dr. Matthias Hillmer ist ehemaliger Leiter Gesamtbankberatung und Leiter Verbriefungen bei der DZ Bank.

Das ist an sich erstmal kein größeres Problem, da die Bundesbank auch mit einem negativen Eigenkapital leben könnte. Eine Notenbank kann nicht illiquide werden, da sie theoretisch ihre eigene Währung bzw. Giralgeld auf ihren Konten der Geschäftsbanken beliebig schaffen kann. Immerhin beläuft sich der auf die Bundesbank entfallende Banknotenumlauf auf 377 Mrd. Euro Ende 2023. Dass der Staat mit den Negativabschlüssen auf längere Zeit auf eine Ausschüttung verzichten muss, ist dabei vielleicht noch das geringere Problem. Ein länger anhaltender Verlust bzw. ein negatives Eigenkapital muss aber kommunikativ erst einmal der breiten Öffentlichkeit vermittelt werden. Entscheidend für die Stabilität einer Währung ist sicher, dass dabei kein Vertrauensverlust in die Funktionsfähigkeit der Geldpolitik entsteht.

Marktwerte nicht berücksichtigt

In dieser Absicht hat die Bundesbank in ihrer Bilanzpressekonferenz am letzten Freitag ihre bilanzielle Stabilität vor allem mit den 197 Mrd. Euro Bewertungsreserven auf ihren Goldbeständen begründet. Das ist zwar richtig, müsste aber mit den aktuellen Marktwertverlusten ihrer Wertpapierbestände saldiert werden. Eine Bewertung zu Marktpreisen ergäbe Bewertungsverluste von 97,765 Mrd. Euro.

Entscheidender ist vielmehr zu betonen, dass das Europäische System der Zentralbanken mit ihren Maßnahmen nicht nur maßgeblich zur Krisenbewältigung beigetragen hat. Es hat in Zeiten extrem niedriger Marktzinsen die Wirtschaft und das gesamte Finanzsystem erst am Leben gehalten. Um dann jetzt mit den massiv gestiegenen Marktzinsen die einzige Finanzinstitution zu sein, welche die daraus resultierenden enormen Zinsänderungsrisiken überhaupt tragen kann, ohne Konkurs zu gehen. Daher erscheint auch die Kritik an der Überschussliquidität der Geschäftsbanken, die sie gut verzinslich bei der Bundesbank halten, in einem anderen Licht. Die hohen Liquiditätsreserven ließen die Banken die historisch einmalige Zinswende seit Sommer 2022 überhaupt erst verkraften.

Liquidität reduzieren

Zusätzlich sei angemerkt, dass diese Einlagen gleichzeitig die Refinanzierungsmittel der Bundesbank für ihre hohen Wertpapierbestände darstellen. Im Falle eines raschen Abflusses wäre sie daher gezwungen, Wertpapiere zu einem niedrigeren Marktwert zu veräußern. Erinnert sei an die Pleite der Silicon Valley Bank aus diesem Grund.

Eigentlich wäre es für die Bundesbank sogar am sinnvollsten, die hohen Wertpapierbestände in der aktuell relativ entspannten Marktlage gezielt zu veräußern. Bislang sind die Bestände nur durch Nichtersetzung von Fälligkeiten um gerade mal 86 Mrd. Euro von ihrem Höhepunkt im Juni 2022 abgeschmolzen. Bei einem vorzeitigen Verkauf werden zwar Marktwertverluste realisiert. Das hätte aber seinen Sinn darin, die auf mehrere Jahre hinaus bestehenden Ertragsbelastungen früher zu verarbeiten, wenn eh mit Negativabschlüssen auch ohne Verkäufe zu rechnen ist. So ließe sich die Handlungsfähigkeit der Notenbank für zukünftige Krisen zurückgewinnen, die Liquidität im Finanzsystem am schnellsten reduzieren und dem Marktzins wieder voll seine Steuerungsfunktion zurückgeben.