Staatsschulden

Globaler Schuldenkrise mit kluger Restrukturierung vorbeugen

Deutschland sollte die G7-Präsidentschaft nutzen, um einen nachhaltigen Staatsschuldenrestrukturierungsmechanismus gezielt voranzutreiben, denn die hohe Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer gefährdet die makroökonomische Stabilität.

Globaler Schuldenkrise mit kluger Restrukturierung vorbeugen

Die Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer ist besorgniserregend hoch. Nach der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) verkündete Finanzminister Christian Lindner (FDP), Deutschland werde Geld für weitere Kredite zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sollte Deutschland die G7-Präsidentschaft nutzen, einen nachhaltigen Staatsschuldenrestrukturierungsmechanismus gezielt voranzutreiben

Die hohe Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer gefährdet die makroökonomische Stabilität. Die Ursachen sind vielseitig: eine hohe Kreditaufnahme gegen Ende der 2010er Jahre, die Bekämpfung der Covid-Pandemie durch fiskalische Stabilisierungen sowie der russische Angriffskrieg in der Ukraine und eine Geldpolitik der G7-Staaten, die Inflation bekämpfen will.

Im Zuge der Pandemie wurden die Einkommensquellen vieler Länder durch unterbrochene Lieferketten, eingeschränkten Tourismus, Kapitalflucht und geringe Rücküberweisungen eingeschränkt. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine verschärft die starke Abhängigkeit und Vulnerabilität der Entwicklungsländer erneut. Hohe Preise, der Einbruch des Handelswachstums, steigende Zinssätze und ein starker US-Dollar verschärfen den fiskalischen Druck. Laut Weltbankpräsident David Malpass gelten mehr als 60% der einkommensschwachen Länder aktuell als akut gefährdet von einer Schuldenkrise.

Eine nachhaltige Lösung der bestehenden Schuldenstände in Entwicklungsländern ist sowohl aus finanzpolitischer Sicht als auch geostrategisch richtig und wichtig. Aus finanzpolitischer Sicht sind Schulden weder per se gut noch schlecht. Sie können Wachstum und Investitionen fördern und antizyklisch ausgleichend wirken. Eine übermäßige Verschuldung birgt jedoch Risiken für Wachstum und Stabilität und schränkt finanzpolitische Spielräume ein. Entsteht ein nicht tragfähiges Schuldenlevel, müssen Restrukturierungen möglich sein.

Bisher gibt es kein wirksames Verfahren für die Restrukturierung von Staatsschulden. Das 2020 beschlossene „Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI“ (Common Framework) der G20-Staaten ist ein erster Schritt. Es soll Ländern die Möglichkeit geben, in einzelfallbezogenen Verfahren über den Umgang mit ausstehenden Forderungen zu verhandeln. Dies ist wichtig, da sich die Schulden- und Gläubigerstrukturen der einzelnen Länder stark unterscheiden. Zwar hat die Bedeutung Chinas und privater Gläubiger zugenommen, dennoch hängt deren Relevanz vom landesspezifischen Kontext ab.

Die bisherige Zurückhaltung der G7, einen systematischen Restrukturierungsmechanismus voranzutreiben, sollte daher nicht mit der Rolle Chinas gerechtfertigt werden. Nicht einmal zwei Jahre nach seiner Entstehung wird vom IWF und der Weltbank eine Nachbesserung des Framework gefordert. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie muss auch erreichen, private Gläubiger rechtlich mit einzubeziehen.

Auch aus geostrategischer Sicht sollte uns ein geordnetes Verfahren wichtig sein. Die Abstimmung zur Verurteilung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vom 2. März 2022 bei den Vereinten Nationen hat gezeigt, dass unter den 38 Enthaltungen und fünf Gegenstimmen einige afrikanische Entwicklungsländer waren. Ein Blick zurück zum „Sotschi-Gipfel“ im Oktober 2019 zeichnet ein klares Bild der Interessen russisch-afrikanischer Beziehungen: In erster Linie ging es um den Verkauf von russischen Rüstungsgütern und militärisch-technische Kooperation. Ein geordneter Mechanismus ist also auch unter dem Gesichtspunkt multilateraler Kooperation im Bretton-Woods-System in deutschem Interesse. In einer zunehmend bipolaren Welt ist es wichtiger denn je, demokratische Partnerländer nicht aufgrund von nicht tragfähigen Schuldenständen zu destabilisieren.

Kodifiziertes Verfahren

Die Staatsverschuldung wurde auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank Mitte April intensiv diskutiert. Bundesfinanzminister Lindner kündigte an, Deutschland werde Darlehen von 6,3 Mrd. Euro zur Verfügung stellen sowie 100 Mill. Euro für Zinserleichterungen. Lindner sagte, „es muss jetzt gehandelt werden“, und warnte vor einer „globalen Schuldenkrise“. Es ist zu begrüßen, dass Christian Lindner die Dringlichkeit der Situation erkannt hat und kurzfristige Zusagen gibt. Allerdings geben weitere Kredite nur Aufschub und tragen zur Lösung des Problems nicht bei. Wichtiger wäre es, den kritisch verschuldeten Ländern Zugang zu einem kodifizierten Staatsschuldenrestrukturierungsverfahren zu ermöglichen. Im Koalitionsvertrag hatten wir uns als Ampel-Koalition bereits darauf geeinigt, auf das Ziel eines neuen internationalen Schuldenmanagementkonsenses hinzuwirken. Auch ein internationales Staateninsolvenzverfahren, das alle Gläubiger miteinbezieht und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Ländergruppen umsetzt, soll unterstützt werden.

Dieses Ziel sollte jetzt so schnell wie möglich verwirklicht werden. Es sollte gleichermaßen in die Strategie der deutschen Entwicklungspolitik eingebettet sein, so dass Restrukturierungsvereinbarungen mit Kapazitätsaufbau und der Förderung von „Good Financial Governance“ einhergehen. Hier ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit bereits gut aufgestellt und kann gemeinsam mit G7-Staaten ein attraktives Angebot schaffen.

Mit der G7-Präsidentschaft hat Deutschland nun eine besondere Verantwortung, tätig zu werden. Lindner sollte das Treffen der G7-Finanzminister und -ministerinnen sowie der Notenbankgouverneure diese Woche dafür nutzen, die Weiterentwicklung des Common Framework voranzutreiben. Es braucht einen dauerhaften und umfassenden Staatsschuldenrestrukturierungsmechanismus. Deutschland sollte hier als zweitgrößter Geber weltweit eine klare Führungsrolle übernehmen.

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