Arbeitsmarkt

Historischer Einbruch am Ausbildungsmarkt

Seit mehr als 40 Jahren gab es in einem Jahr nicht mehr so wenige Azubi-Verträge. Das ist angesichts des Fachkräftemangels besorgniserregend. Das ruft FDP wie Gewerkschaften auf den Plan.

Historischer Einbruch am Ausbildungsmarkt

ast Frankfurt

Die Pandemie hat dem ohnehin schwächelnden Ausbildungsmarkt in Deutschland weiter zugesetzt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, fiel die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge 2020 deutlich. Es handelt sich mit –9,3% um den größten prozentualen Rückgang an Ausbildungsverträgen für eine duale Berufsausbildung seit Beginn der Zeitreihe 1977. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hofft auf weitere Vertragsabschlüsse im Sommer. Gewerkschafter fordern derweil eine Ausbildungsgarantie.

„Die Zahl der Neuverträge befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Noch nie seit Beginn der Statistik vor über 40 Jahren hat es in einem Jahr weniger als 500000 neue Azubis gegeben“, berichtete Rotraud Kellers aus dem für die Berufsbildungsstatistik zuständigen Referat von Destatis. Den deutlichsten Rückgang verzeichneten die von den Corona-Einschränkungen am stärksten betroffenen Branchen.

In Industrie und Handel sank die Zahl der Neuabschlüsse 2020 mit 12% oder 36000 weniger neuen Azubi-Verträgen am stärksten. Die größten Rückgänge gab es bei Tourismuskaufleuten mit fast zwei Dritteln (–61,1%), gefolgt vom Hotelfachgewerbe (–31%) und Köchen (–19,8%). Allein bei diesen Berufen gab es in Summe gut 5000 weniger neue Lehrverträge. Mehr Azubis zählte Destatis am boomenden Bau bei Dachdeckern (+3,9%), bei Zimmerern (+11,7%) und Zweiradmechatronikern (+13,1%), etwa in Fahrradgeschäften – allerdings handelt es sich hier um eine relativ geringe Menge an Ausbildungsplätzen.

Die Coronakrise verhinderte nach Ansicht von Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), dass junge Menschen und Betriebe sich kennenlernen konnten. Praktika und Ausbildungsmessen wurden in großer Zahl abgesagt. So sei die Zahl der Bewerber im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Die verfügbaren Ausbildungsplätze hingegen reduzierten sich in geringerem Maße. Die BA hat zusammen mit dem von Hubertus Heil (SPD) geführten Bundesarbeitsministerium daher das „Jahr der Ausbildung“ ausgerufen – bislang allerdings lässt der Erfolg der Kampagne auf sich warten.

Die Opposition im Bundestag sorgt sich um fehlende Arbeitskräfte. Die nächste Bundesregierung müsse eine Ausbildungsoffensive auf den Weg bringen, forderte Jens Brandenburg, Sprecher für berufliche Bildung der FDP-Bundestagsfraktion. „Fehlende Azubis von heute sind der Fachkräftemangel von morgen.“

DGB fordert leichten Einstieg

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nutzte die schlechten Zahlen vom Ausbildungsmarkt, um seine Forderung im Bundestagswahlkampf zu bekräftigen: Die Situation soll etwa durch eine Ausbildungsgarantie verbessert werden, die den Einstieg in das erste Ausbildungsjahr eines anerkannten Ausbildungsberufs regelt. Außerdem soll es einen fairen finanziellen Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben geben – in Form eines Fonds oder einer Umlage.

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