Corona

In Opposition zur Pandemie

Die Vertreter der Union finden sich in der Parlamentsdebatte über die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes schnell in der Oppositionsrolle zurecht. Im Bundesrat sollten die unionsgeführten Länder sich der Opposition zur Pandemie anschließen.

In Opposition zur Pandemie

Wer sich vor der Debatte über die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Bundestag Sorgen gemacht hat, ob die Unionsparteien sich in der ungewohnten Oppositionsrolle zurechtfinden würden, kann aufatmen. Denn die Vertreter von CDU/CSU ließen kein gutes Haar an dem von den Ampelparteien eingebrachten Gesetz, mit dem unter anderem die rechtlichen Grundlagen für 3G-Regeln am Arbeitsplatz sowie im öffentlichen Nah- und Fernverkehr geschaffen werden. SPD, Grünen und FDP warfen die Unionsvertreter einen verantwortungslosen Umgang mit der Pandemie vor, weil die noch bis 25.No­vember geltende „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ nicht verlängert wird. Bei so viel Empörung konnte man fast vergessen, dass da die Vertreter einer Partei sprechen, die immer noch den geschäftsführenden Gesundheitsminister stellt, der sich vor wenigen Wochen selbst für das Ende der epidemischen Lage starkgemacht hatte.

Nach dem Schlagabtausch in der Parlamentsdebatte, in der auch die Vertreter der Ampel mit harten Bandagen zu Werke gingen, stimmte die Union geschlossen gegen die Änderungen am Infektionsschutzgesetz und kündigte den parlamentarischen Konsens in der Pandemiebekämpfung auf, den in der zurückliegenden Legislaturperiode die Parteien der Mitte weitgehend mitgetragen hatten. CDU/CSU fanden sich in Gesellschaft der AfD wieder. Die Linke enthielt sich ihrer Stimmen.

Über die politische Klugheit hinter der Entscheidung, die epidemische Lage enden zu lassen, während das Infektionsgeschehen täglich Rekorde bricht, lässt sich streiten. Das Management der Pandemie ist schließlich auch eine kommunikative Aufgabe und widersprüchliche Signale helfen nicht weiter. Der Vorwurf an die Ampel, sie negiere die Gefahren der Pandemie, wenn sie ihr Handeln nicht mehr auf die Rechtsfigur der epidemischen Lage stützt, ist aber falsch. Auch im zweiten Coronawinter mangelt es der Pandemiebekämpfung nicht an Instrumenten, sondern am Timing.

Sollten die unionsgeführten Länder mit Unterstützung des baden-württembergischen Mi­nis­terpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes am Freitag im Bundesrat blockieren, müsste die Ampel noch vor der Regierungsbildung einen herben Dämpfer verkraften. In Opposition zur Pandemie sollte die Union der Versuchung widerstehen. Läuft die epidemische Lage aus, ohne dass zuvor eine neue Rechtsgrundlage verabschiedet wurde, hätte das Virus wieder Zeit gewonnen.

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