Konjunktur

Insolvenzgeschehen nimmt Fahrt auf

Im Januar sind mehr Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Die Dynamik hat außerdem wieder zugelegt und Experten erwarten weitere Anstiege. Über die vergangenen 20 Jahre hinweg wurden allerdings konstant mehr Betriebe gegründet als aufgegeben, wie Destatis zugleich vermeldet.

Insolvenzgeschehen nimmt Fahrt auf

Insolvenzgeschehen nimmt Fahrt auf

Aber immer noch unter Vor-Corona-Niveau – Mehr größere Betriebe werden neu gegründet als aufgegeben

ba Frankfurt

Das hohe Zinsniveau und die Konjunkturflaute zwingen immer mehr Unternehmen zur Aufgabe. Nicht nur die Zahl der Insolvenzen nimmt zu, es werden auch mehr Gewerbe vollständig aufgegeben. Vor allem Firmen aus dem Bau- und Immobiliengewerbe stehen unter Druck. Experten rechnen mit zunehmenden Firmenpleiten, auch wenn sie weiter von einer Normalisierung des Insolvenzgeschehens nach den Ausnahmeregelungen während der Coronajahre ausgehen. Denn das Insolvenzniveau ist insgesamt immer noch niedrig und es werden weiter neue Firmen gegründet.

Weiter zweistellige Zuwachsraten

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) hat die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen hierzulande im Januar um 26,2% im Jahresvergleich zugelegt. Im Dezember hatte der Anstieg 12,3% betragen. „Seit Juni 2023 sind damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, betonten die Wiesbadener Statistiker. Dabei lagen aber „die Insolvenzzahlen für diesen Zeitraum insgesamt noch leicht unter dem Niveau des Vor-Corona-Zeitraums Juni 2019 bis Januar 2020“. Die Regelverfahren fließen allerdings erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen etwa drei Monate davor.

Forderungen kaum verändert

Daher liegen bislang erst die endgültigen Zahlen für November vor: Die Amtsgerichte meldeten einen Anstieg binnen Jahresfrist um 15,3% auf 1.513 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte dabei auf rund 1,5 Mrd. Euro. Im November des Vorjahres hatten die Forderungen bei knapp unter 1,5 Mrd. Euro gelegen. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ging im November um 1,0% im Jahresvergleich auf 5.811 zurück.

Immer noch niedriges Niveau

Von Januar bis November 2023 stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zum Vorjahr um 23,2% auf 16.264 Fälle. Im selben Zeitraum 2022 hatte die Zahl laut Destatis mit 2,9% „allerdings nur leicht über dem niedrigen Niveau des von Corona-Sonderregelungen geprägten Vergleichszeitraums des Jahres 2021 gelegen“. Im Vergleich zum Zeitraum des Vor-Corona-Jahres 2019 war das Pleiteniveau 2023 um 6,5% niedriger.

Bezogen auf 10.000 Unternehmen kam es laut Destatis im November zu insgesamt 4,5 Insolvenzen. Wie auch in den vergangenen Monaten war die Insolvenzhäufigkeit im Wirtschaftsabschnitt Verkehr und Lagerei mit 9,6 Fällen am höchsten, gefolgt vom Bereich der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu dem etwa Zeitarbeitsfirmen zählen, mit 7,5 Fällen.

Insolvenzverwalter sorgen sich um Bau- und Immobilienbranche

Beim Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) gelten die Sorgen insbesondere der Bau- und Immobilienwirtschaft. Die Branche gehöre zu den Bereichen, die nur sehr langsam auf Veränderungen reagieren könnten, aber eine besonders intensive Transformation durchlaufen und sich mittelfristig anpassen müssen. Bauvorhaben würden üblicherweise längere Zeiträume umspannen, erklärte VID-Präsident Christoph Niering. Gerade Gewerbeimmobilien und auch deren Entwicklung stünden unter besonderem Druck. „Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt gravierend verändert. Homeoffice und virtuelle Besprechungsformate hinterlassen deutliche Spuren bei Flächennachfrage und Ausstattungsqualität“, betonte Niering.

„Negativtrend verschärft sich“

In der DIHK-Konjunkturumfrage wiederum berichten in der Gesundheitswirtschaft (17%) und im Verkehr (18%) besonders viele Unternehmen von Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kunden. Aber auch in anderen Branchen würden teils Rekordwerte vermeldet. Insgesamt waren 13% der Befragten von Forderungsausfällen betroffen. Dies ist der zweithöchste gemessene Wert seit Beginn der DIHK-Statistik im Jahr 2020. In der Umfrage zuvor waren es 11%. „Nicht nur eine schwache Nachfrage, sondern auch hohe Kosten und unsichere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sowie Bürokratie bringen mehr und mehr Betriebe in Bedrängnis“, analysiert DIHK-Mittelstandsexperte Marc Evers. Der Negativtrend bei den Unternehmensinsolvenzen verschärfe sich: Unter den kleinen Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten sehen laut DIHK aktuell 4% das Risiko einer Insolvenz des eigenen Betriebes. In dieser Größenklasse befinden sich rund drei Millionen Unternehmen und damit etwa 85% aller Betriebe in Deutschland.

Dem mauen Konjunkturumfeld zum Trotz wurden 2023 mit rund 118.500 um 2,9% mehr Betriebe gegründet, deren Rechtsform und Beschäftigtenzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung schließen lassen, als im Vorjahr. Zugleich gaben laut Destatis aber auch 96.600 größere Betriebe ihr Gewerbe vollständig auf. Das waren 7,9% mehr als 2022. „Dennoch war die Zahl der Betriebsgründungen auch 2023 wie in allen Jahren seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2003 höher als die Zahl der Betriebsaufgaben“, betonten die Wiesbadener Statistiker.

Die Gesamtzahl der Gewerbeanmeldungen, zu denen neben den Neugründungen auch Betriebsübernahmen, Umwandlungen und Zuzüge aus anderen Meldebezirken zählen, nahm 2023 im Jahresvergleich um 6,2% auf rund 715.000 zu. Die Neugründungen allein legten um 6,9% auf rund 593.200 zu.

Die Zahl der Gewerbeabmeldungen bei den Gewerbeämtern wiederum lag 2023 mit rund 602.700 um 7,0% über dem Vorjahresniveau. Neben den vollständigen Gewerbeaufgaben, die um 8,3% auf rund 486.900 kletterten, zählen dazu auch Betriebsübergaben, Umwandlungen oder Fortzüge in andere Meldebezirke.

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