Handelsbeziehungen

IW warnt vor zu großer Abhängigkeit von China

Trotz der Debatte um eine zukünftig geringere wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China hat sich die Entwicklung im ersten Halbjahr sogar verschärft. „Die deutschen Direktinvestitionsflüsse nach China waren noch nie so hoch“, heißt es in...

IW warnt vor zu großer Abhängigkeit von China

Reuters/ba Frankfurt

Trotz der Debatte um eine zukünftig geringere wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China hat sich die Entwicklung im ersten Halbjahr sogar verschärft. „Die deutschen Direktinvestitionsflüsse nach China waren noch nie so hoch“, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag. Auch die Importe aus China und das deutsche Defizit im Handel mit der Volksrepublik erreichten Rekordwerte. Dagegen schwächte sich das Wachstum deutscher Exporteure im China-Geschäft stark ab, und Chinas Interesse an Waren „Made in Germany“ sank erneut. Der chinesische Markt soll den Ökonomen zufolge offenbar immer mehr durch Produktion vor Ort statt durch Importe bedient werden. „Weniger Exporte bedeuten aber weniger direkte Arbeitsplätze in Deutschland“, sagte Studienautor Jürgen Matthes.

„Die deutsche Wirtschaft ist sehr viel abhängiger von China als umgekehrt.“ Angesichts von Chinas Verhalten im Ukraine-Krieg und heftigen Drohungen gegenüber Taiwan werde dies zu einem politischen Problem, warnte das IW. Denn sollte es nach einem Einmarsch der Volksrepublik in Taiwan zu umfangreichen Sanktionen des Westens gegenüber China kommen, drohen aufgrund der hohen Importabhängigkeit nicht nur massive Engpässe bei vielen Zulieferungen aus China. Besonders exponierte Unternehmen könnten bei einem kollabierenden China-Geschäft in die Pleite rutschen.

Der Industrieverband BDI mahnte aber, die Wirtschaftsbeziehungen zu China auch im Kontext des neuen Systemwettbewerbs nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Es müsse aber die Resilienz erhöht werden. Ein Teil der Lösung bestehe darin, Absatz- und Beschaffungsmärkte zu diversifizieren. BDI-Präsident Siegfried Russwurm forderte kürzlich eine proaktivere EU-Handelspolitik – vor allem gegenüber weiteren dynamischen Wachstumsmärkten im asiatisch-pazifischen Raum. Auch das IW spricht sich für ein Umsteuern der Politik aus. Die bestehenden Anreize für ein Engagement in China sollten rasch abgebaut werden. Es müsse auch mehr Diversifizierung geben und den Aufbau von Handels- und Investitionsbeziehungen mit anderen Schwellenländern, vor allem in Asien.

Trotz aller Gefahren und Probleme „haben sich die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China im ersten Halbjahr 2022 mit einem enormen Tempo in die falsche Richtung entwickelt.“, heißt es beim IW weiter. Nach Daten der Zahlungsbilanz habe die deutsche Wirtschaft allein zwischen Januar und Juni rund 10 Mrd. Euro in China investiert. Seit der Jahrtausendwende betrug der Höchstwert in einem ersten Halbjahr 6,2 Mrd. Euro. Auch als Importeur wird China für Deutschland immer wichtiger. So kletterte der Anteil von China-Einfuhren an allen Importen im ersten Halbjahr 2022 auf 12,4%, nach 3,4% im Jahr 2000. Die deutschen Warenimporte aus China stiegen binnen Jahresfrist wertmäßig um 45,7%, auch wegen deutlicher Preisanstiege. Da die deutschen Exporte nach China aber schwächelten, kletterte das Handelsbilanzdefizit bis Mitte 2022 auf fast 41 Mrd. Euro.

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