Energiekostensteigerung

Kabinett gibt bei Preis­bremse Gas

Die Bundesregierung will in der Energiepreiskrise Zufallsgewinne im Strommarkt rückwirkend zum 1. September abschöpfen. Die Winterhilfe für Gaskunden will das Kabinett diese Woche beschließen.

Kabinett gibt bei Preis­bremse Gas

wf Berlin

Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will die Bundesregierung die Preise in den Märkten für Gas, Wärme und Strom dämpfen. Die Winterhilfe in Höhe der Dezember-Abschlagzahlung für Gaskunden will das Kabinett am heutigen Mittwoch verabschieden. Die Details für die Gaspreisbremse für Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen (ab 1.3.2023), für Industriekunden (ab 1.1.2023) sollen am 18.11. auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts stehen. Dies geht aus einem Erläuterungspapier der Bundesregierung hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Die Regierung will damit die Bürger und Unternehmen von den rasant gestiegenen Gaskosten entlasten (siehe Grafik) und für die Wirtschaft den Standort im Wettbewerb sichern.

In gut zwei Wochen will das Kabinett auch für die Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne in der Stromerzeugung einen Gesetzentwurf verabschieden. Umgesetzt wird die EU-Notfall-Strom-Verordnung über eine „technologiespezifische Erlösobergrenze“. Damit richtet sich die Obergrenze nach der Energiequelle, etwa Windkraft oder Kernenergie. Vom Referenzerlös will der Staat 90% einziehen. Der Erzeuger soll 10% als Anreizkomponente behalten dürfen. Die Bundesregierung will die Regelung rückwirkend zum 1.9. in Kraft setzen. Sie soll – wie alle anderen Eingriffe in das Energiepreisgefüge – bis 30.4.2024 gelten. Am 3.9. hatte der Koalitionsausschuss im Grundsatz beschlossen, Zufallsgewinne abzuschöpfen.

Milliardenschwere Kosten

Die Bundesregierung rechnet dem Papier zufolge für alle Maßnahmen zusammen mit Ausgaben von bis 145 Mrd. Euro. Sie sollen aus dem reaktivierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds gezahlt werden, der bis 2024 bis zu 200 Mrd. Euro Kredit aufnehmen darf. Ein Teil der Finanzierung wird aus den Einnahmen für die Abschöpfung von Zufallsgewinnen einkalkuliert. Die Bundesregierung rechnet mit einem zweistelligen Milliardenbetrag. Im Einzelnen werden die Ausgaben für das preisgesicherte Grundkontingent für industrielle Gaskunde auf 21 Mrd. Euro geschätzt. Für die Gas- und Wärmepreisbremse werden mehr als 30 Mrd. Euro benötigt, für die Strompreisbremse für Haushalte und kleinere Unternehmen 23 bis 33 Mrd. Euro. Der Mittelbedarf für die industrielle Strompreisbremse wird mit 30 bis 36 Mrd. Euro veranschlagt. Zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte sind 13 Mrd. Euro nötig. Hinzu kommen 12 Mrd. Euro für einen Härtefallfonds. Die Schätzungen sind angesichts der stark schwankenden Preise nur grob.

Geklärt hat die Bundesregierung mittlerweile beihilferechtliche Fragen mit der EU-Kommission. Der Spielraum für nationale Entscheidung wird größer. Die Schwelle für die Deminimis-Regelung steigt von 0,5 auf 2,0 Mill. Euro. Beim indus­triellen Verbrauch mit einer Gesamtentlastung in verschiedenen Stufen – 4 Mill., 50 Mill., 100 Mill. und 150 Mill. Euro – gibt es je nach Gewinnrückgang detaillierte EU-Vor­ga­ben. Entlastungen von mehr als 150 Mill. Euro müssen in Brüssel notifiziert werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigte Sympathie für ein Dividenden- und Boniverbot für Firmen, die von der Preisbremse profitieren. Wichtig ist ihm, dass die Auszahlung nicht verzögert wird.