Nach dem Verfassungsgerichtsurteil

Klimafonds-Urteil führt zu Haushaltssperre

Nach dem Karlsruher Urteil zum Klimafonds gilt jetzt auch für Teile des Wirtschaftsstabilisierungsfonds sowie den Bundeshaushalt 2023 ein Ausgabenstopp. Ökonomen warnen mittlerweile davor, dass das Urteil sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnte. Die SPD will die Schuldenbremse aussetzen.

Klimafonds-Urteil führt zu Haushaltssperre

Klimafonds-Urteil führt zu Haushaltssperre

Lindner stoppt Verpflichtungsermächtigungen – SPD will Schuldenbremse aussetzen – Union für Nachtragsetat 2023

ahe Berlin

Nach dem Karlsruher Urteil zum Klimafonds gilt jetzt auch für Teile des Wirtschaftsstabilisierungsfonds sowie den Bundeshaushalt 2023 ein Ausgabenstopp. Ökonomen warnen mittlerweile davor, dass das Urteil sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnte. Die SPD will die Schuldenbremse aussetzen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in Reaktion auf das Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) nun auch im aktuellen Bundeshaushalt und im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Sperren eingezogen. Nachdem der FDP-Chef bereits in der letzten Woche einen großen Teil der Auszahlungen aus dem Klimafonds vorerst gestoppt hatte, gilt dies nun auch für die Verpflichtungsermächtigungen im Etat 2023. Ziel sei, Vorbelastungen für die kommenden Jahre zu vermeiden, hieß es im Finanzministerium in Berlin. Bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden.

Der Stopp betrifft alle Ministerien. Es sollen aber weiterhin auch Ausnahmefälle akzeptiert werden. In dem Fall könnten Verpflichtungsermächtigungen auch entsperrt werden, hieß es. Mit einem weiteren Schreiben sperrte Lindner am Dienstagnachmittag dann die Ausgaben des WSF für das laufende Jahr. Ausgaben können daher nur nach Einwilligung des Finanzministeriums getätigt werden, wie es aus Kreisen des Ministeriums hieß. Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist davon nicht betroffen. Lindners Ministerium kündigte an, die genauen Auswirkungen des KTF-Urteils auf den geplanten Etat 2024 bis Donnerstag zu sondieren, wenn sich der Haushaltsausschuss des Bundestags zum Abschluss der Bereinigungssitzung trifft.

Das Bundeswirtschaftsministerium begrüßte die verfügte Haushaltssperre. "Der Schritt entspricht der Notwendigkeit der Situation", sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters. Minister Robert Habeck warnte zugleich davor, jetzt nur noch die Projekte aus dem Klima-und Transformationsfonds weiterzuverfolgen, für die es bereits formale Förderbescheide gebe. Die Projekte hätten mehrfachen Nutzen, mahnte der Grünen-Politiker. Man dürfe gerade solche Investitionen nicht allein für sich sehen. Sie seien eingebettet in ein Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen. "Teilweise sind Voraufträge ausgelöst worden, teilweise gibt es vorzeitigen Maßnahmenbeginn."

Folgen für das Wachstum

Aus dem KTF sollten im kommenden Jahr eigentlich Projekte im Volumen von 57,6 Mrd. Euro finanziert werden, darunter auch große Wasserstoff-Vorhaben, eine Solarförderung, ein Teil der Schieneninvestitionen der Deutschen Bahn oder auch die Subventionen für die geplanten neuen Mikrochipfabriken.

Von Ökonomen erhielt Habeck am Dienstag in einer Anhörung im Bundestag Rückendeckung. Diese verwiesen auf die Bedeutung des KTF für die Transformationsfinanzierung und warnten vor Auswirkungen, die das Verfassungsgerichtsurteil auch auf das Bruttoinlandsprodukt haben könnte. 2024 sei nach dem Urteil wohl kein Wachstum mehr zu erwarten, sagte etwa Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Er warnte, dass Deutschland jetzt in eine "hartnäckige Investitionskrise" hineinlaufen könne. Dabei sei der im Zuge der Transformation nun nötige Umbau des Kapitalstocks eine historisch einmalige Aufgabe für die Unternehmen, bei der der Staat helfen müsse. Viele Projekte aus dem KTF sieht Hüther in diesem Zusammenhang als "gut begründet" an.

Auch der Ökonom Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf warnte vor einer "tiefgreifenden Investitionskrise", die sich nach dem Urteil aus Karlsruhe jetzt noch verschlimmern könnte. Dieses hätte auch nach seiner Einschätzung das Potenzial, die derzeitige Rezession noch zu verlängern. In einem Kurzgutachten für die Anhörung rechnet Südekum eigentlich mit einem fiskalischen Zusatzbedarf für die grüne Transformation von 100 Mrd. Euro. Er verwies zugleich darauf, dass die 60 Mrd. Euro, die nach dem Urteil zur KTF-Finanzierung fehlen, rund 1,5% des BIP entsprechen.

Um die Auswirkungen des Haushaltsurteils abzumildern, hält SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ein Aussetzen der Schuldenbremse für notwendig – mindestens für das Jahr 2024. "Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen – womöglich auch länger", sagte Mützenich dem Magazin "Stern".

Schuldenbremse stört

"Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt. Vor uns liegen gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch." Die Unions-Bundestagsfraktion forderte unterdessen erneut eine Verschiebung des noch für diese Woche geplanten Haushaltsbeschlusses für 2024 und einen Nachtragshaushalt für 2023. Denn der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, wie er jetzt genutzt werde, sei verfassungswidrig, betonte der Haushaltsexperte Mathias Middelberg in Berlin.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.