Frankreich

Konjunktureller Gegenwind für Macron

Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird der Spielraum auch wegen der steigenden Inflation, des sich abschwächenden Wachstums und der steigenden Zinsen immer enger.

Konjunktureller Gegenwind für Macron

wü Paris

Nachdem die Regierungsallianz die absolute Mehrheit verloren hat, hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an die Kompromissbereitschaft der Opposition appelliert und sie aufgefordert, ihre Position zu klarifizieren. Allerdings reagierten die Oppositionsparteien nicht gerade begeistert auf seine Ansprache. Stattdessen werfen sie ihm vor, für die Blockade des Landes verantwortlich zu sein. Einen Freifahrtschein kann er nicht von ihnen erwarten.

Der Verlust der absoluten Mehrheit ist nicht die einzige Wolke, die den Horizont für Macron trübt. Denn er muss auch mit verstärktem konjunkturellen Gegenwind rechnen. Angesichts der steigenden Inflation, des sich abschwächenden Wachstums und des sinkenden Verbraucher- und Industrievertrauens wird der Spielraum Macrons immer enger. Inzwischen mehren sich die Zeichen für einer Abschwächung der Konjunktur. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone dürfte aber trotz des Rückgangs um 0,2% im ersten Quartal einer Rezession entgehen, prognostizieren Ökonomen. Im Schnitt erwarten sie, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Gesamtjahr um 2,5% zulegen wird. Denn einige Branchen, die wie das Hotel- und Gaststättengewerbe und die Transportbranche unter der Omikron-Variante des Coronavirus gelitten haben, erholen sich jetzt wieder deutlich. Doch gerade die wegen des starken Preisanstiegs schwindende Kaufkraft könnte zu einem explosiven Thema für Macron werden. Die Bewegung der Gelbwesten, die im Winter 2018 auch gegen hohe Benzinpreise protestierte, hat schon einen kleinen Vorgeschmack gegeben. Gleichzeitig ist der Konsum der Privathaushalte einer der traditionellen Wachstumsmotoren der französischen Wirtschaft. Im Mai betrug der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat 5,2%, so viel wie seit 35 Jahren nicht mehr.

Eine Schwierigkeit Macrons bestehe darin, seine Politik des Angebots in einem Umfeld weiterzuverfolgen, in dem die Oppositionsparteien eher eine Politik der Nachfrage verteidigten, sagt Ökonom Patrick Artus von Natixis. Die steigenden Zinsen sind ein weiteres Problem, das Macron erwartet. Vor einem Jahr seien die Zinsen noch negativ gewesen, sagt Artus. Nächstes Jahr würden sie sich den 3% annähern. Das macht es für Macron und seine Regierung schwieriger, die hohe Verschuldung von zuletzt 113% des BIP zu stabilisieren oder abzubauen. Die steigenden Zinsen bedeuteten, in den nächsten acht bis zehn Jahren jährlich 80 Mrd. Euro mehr zurückzahlen zu müssen, erklärt Artus. „Dabei müssen wir sehr viel ausgeben, um die Energiewende und die Reindustrialisierung umsetzen zu können.“

Das Problem der steigenden Zinsen und der Staatsverschuldung spielt in der öffentlichen Debatte in Frankreich jedoch bisher so gut wie keine Rolle. Da alle immer noch auf die Kaufkraft fokussiert seien, entstehe der Eindruck, dass die Zeiten des „Koste es, was es wolle“ noch nicht vorbei seien, sagt Emmanuel Rivière von Kantar Public.

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