EU-Einigung

Konzerne müssen länderbezogene Steuerdaten offenlegen

Große multinationale Unternehmen müssen in der EU künftig deutlich größere Steuertransparenz leisten. Vertreter von EU-Staaten und Europaparlament haben einen Kompromiss über das umstrittene öffentliche Country-by-Country Reporting gefunden.

Konzerne müssen länderbezogene Steuerdaten offenlegen

Nach fünf Jahren kontroversen Debatten haben sich die EU-Gesetzgeber auf schärfere Steuerberichtspflichten großer multinationaler Konzerne verständigt. Die Unternehmen müssen künftig länderbezogene Informationen veröffentlichen, unter anderem zu ihren Nettoumsätzen und Gewinnen, der Mitarbeiterzahl, den gezahlten Ertragsteuern und den nicht ausgeschütteten Gewinnen.

Die EU geht damit über die auf OECD-Ebene international vereinbarten Standards zum – nicht öffentlichen – Austausch von Steuerinformationen zwischen nationalen Behörden hinaus. Betroffen von den neuen EU-Regeln, die nun innerhalb von 18 Monaten umgesetzt werden sollen, sind Konzerne mit einem konsolidierten Jahresumsatz von weltweit über 750 Mill. Euro in den letzten beiden aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren.

Auch Steueroasen von Regelung betroffen

Die künftig verlangten öffentlichen Daten sollen für alle EU-Staaten aufgeschlüsselt werden. Die Berichte sollen dann kostenlos, in einer EU-Sprache, gemäß einer gemeinsamen Vorlage und in einem offenen Datenformat verfügbar sein. Die Offenlegungspflicht gilt aber auch für Steueroasen, die auf der entsprechenden „schwarzen Liste“ der EU stehen sowie für Länder, die mindestens zwei Jahre hintereinander auf der „grauen Liste der Steueroasen“ zu finden sind. Von dieser Regelung wäre derzeit unter anderem die Türkei betroffen.

Aus der Wirtschaft – insbesondere auch der deutschen – hatte es in der Vergangenheit scharfe Kritik an diesem Public Country-by-Country Reporting gegeben und Warnungen vor erheblichen Wettbewerbsnachteilen der EU-Unternehmen gegenüber Konkurrenten aus Drittstaaten. Die länderspezifische Offenlegung von betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Daten erlaube Rückschlüsse auf Kostenstrukturen, Preispolitik und Gewinnmargen, hatte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) argumentiert. Die Stiftung Familienunternehmen hatte bereits ein gerichtliches Vorgehen vor dem Europäischen Gerichtshof für möglich gehalten.

Schutzklausel für Konzerne

Der Kompromiss, den EU-Staaten und Europaparlament jetzt gefunden haben, sieht allerdings eine Schutzklausel vor, um sensible Geschäftsgeheimnisse weiterhin zu schützten. In der Richtlinie ist die Möglichkeit enthalten, Steuerinformationen, die solche Firmengeheimnisse enthüllen könnten, für einen Zeitraum von fünf Jahren von der Veröffentlichungspflicht auszunehmen.

Die EU-Länder konnten sich nicht mit weitgehenden Ausnahmeregelungen für die europäischen Tochtergesellschaften von multinationalen Unternehmen aus Drittstaaten durchsetzen. Auch diese müssen nun alle verfügbaren Informationen veröffentlichen. Die Tochtergesellschaften werden auch verpflichtet, so viele Informationen wie möglich zur Verfügung zu stellen – auch wenn die jeweilige Konzernzentrale nicht kooperieren will.

Der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira, der für die EU-Länder die Verhandlungen geleitet hatte, verwies darauf, dass durch Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung großer multinationaler Unternehmen den EU-Ländern Einnahmen in Höhe von mehr als 50 Mrd. Euro pro Jahr entzogen werden. Solche Praktiken würden auch durch die bislang unzureichenden Veröffentlichungspflichten erleichtert, erklärte er. Aber gerade nach der Pandemie müsse nun sichergestellt werden, „dass alle Wirtschaftsakteure ihren gerechten Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung leisten“, so der Minister.

Die EU-Kommission hatte den Gesetzentwurf zum öffentlichen Country-by-Country Reporting bereits im April 2016 vorgestellt – damals vor allem als eine Reaktion auf die Steuerskandale wie die „Panama Papers“ 2016 oder zuvor „Lux Leaks“ 2014. Das Europaparlament hat 2017 seine Verhandlungsposition festgelegt, der Rat war erst im Februar 2021 gefolgt. Allerdings ist die Rechtsbasis des Beschlusses umstritten: Einige kleinere EU-Länder wie Luxemburg, Malta, Zypern und Irland sind der Meinung, dass Einstimmigkeit herrschen müsse, weil es um Steuerpolitik gehe. Die EU-Kommission und die übrigen Länder sagen hingegen, dass es hier um das Thema Transparenz gehe – und damit eine qualifizierte Mehrheit ausreiche.

Gespaltenes Echo der Bundesregierung

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung auf die neuen EU-Regeln und bezeichnete diese als einen „Riesenschritt für mehr Steuergerechtigkeit“. Die Bundesregierung war sich allerdings in der Vergangenheit nicht einig bei dem Thema gewesen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte die öffentliche länderbezogene Berichtspflicht immer abgelehnt.

Aus dem EU-Parlament kamen fast überwiegend positive Kommentare zur Einigung. Allerdings verwies der CSU-Finanzexperte Markus Ferber darauf, dass alle Informationen, die nun öffentlich gemacht werden sollten, den Steuerbehörden bereits bekannt seien. „Der Mehrwert dieser Richtlinie wird überschaubar bleiben“, befürchtet Ferber. Zudem werde allein durch neue Offenlegungspflichten kein Cent mehr an Steuern eingenommen. „In der Gesamtschau sind öffentliche Berichtspflichten ein Nebenkriegsschauplatz.“

Dies sieht der Grüne Sven Giegold etwas anders: „Die Einigung ist ein Meilenstein für Steuergerechtigkeit in Europa“, betonte der EU-Abgeordnete. „Länderbezogene Steuertransparenz ist ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung.“ Giegold geht auch davon aus, dass die innereuropäische Transparenz nun eine internationale Dynamik auslösen kann. Denn nun könnten sich weitere Länder einer Zone der Steuertransparenz anschließen.

Kritik von NGOs

Auch von den Sozialdemokraten kam Applaus: Der Europaabgeordnete Tiemo Wölken betonte, die EU übernehme mit diesem Beschluss eine globale Vorreiterrolle und setze Maßstäbe im Bereich der Unternehmenstransparenz und Steuergerechtigkeit.

Kritik kam hingegen von einigen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), denen der Kompromiss nicht weit genug geht. Nach Einschätzung der Organisation Transparency International lässt die Einigung große Schlupflöcher für die Unternehmen. Ihr Hauptkritikpunkt: Die Pflicht zur Offenlegung gilt nicht weltweit. Das Tax Justice Network verwies darauf, dass jetzt eine vollständige Veröffentlichung der Daten entscheidend sei, wenn man multinationale Konzerne wie Amazon und Steueroasen wie die Niederlande für einen Steuer-Missbrauch zur Rechenschaft ziehen wolle.