Frankreich

Macron hält an Rentenreform fest

Macron will einen neuen Anlauf für eine Rentenreform wagen. Damit geht er ein nicht unerhebliches Risiko ein.

Macron hält an Rentenreform fest

wü Paris

Er hat sich bereits einmal daran versucht, musste das Vorhaben jedoch wegen Corona nach wochenlangen Streiks der Gewerkschaften fallen lassen. Nun will Emmanuel Macron einen neuen Anlauf für eine Rentenreform nehmen. Obwohl Gewerkschaften und Oppositionsparteien bereits im Vorfeld deutlich gemacht haben, dass sie eine solche Reform ablehnen, scheint Frankreichs Staatschef fest entschlossen zu sein, das Projekt erneut in Angriff zu nehmen. Noch allerdings sind sowohl der Zeitplan als auch Inhalte und Vorgehen unklar.

Er sei fest davon überzeugt, dass es notwendig sei, das Rentensystem zu reformieren, erklärte Macron jetzt erneut gegenüber dem Nachrichtensender BFMTV. Es handele sich um eine unverzichtbare Reform. Frankreich müsse die Energiewende finanzieren. Dafür müssten mehr Menschen arbeiten und angesichts der gestiegenen Lebenserwartung auch länger arbeiten, sagte er. Die Regierung müsse nun mit den Sozialpartnern und politischen Bewegungen darüber sprechen, um mit dem Parlament eine geeignete Vorgehensweise zu finden.

Unterstützung erhielt Macron von den Experten des Rentenüberwachungskomitees Comité de suivi des retraites (CSR). Sie warnen in einer gerade veröffentlichten Stellungnahme, dass die für die nächsten 25 Jahre erwarteten Defizite des französischen Rentensystems substanziell werden dürften. Es gebe kurz- und mittelfristig signifikative Risiken von residualen Ungleichgewichten, da sich die Lage verschlechtert habe, urteilen sie.

Denn die konjunkturellen Aussichten haben sich eingetrübt. Gleichzeitig ist Frankreich inzwischen viel höher verschuldet als vor Ausbruch der Covid-Pandemie. Der Rentenorientierungsrat Conseil d’orientation des retraites (COR) hatte bereits zuvor gewarnt, dass das Rentensystem nach einer Verbesserung 2021 und 2022 dauerhaft defizitär werden dürfte. Er erwartet für 2027 ein Defizit von 12,7 Mrd. Euro.

Wie bereits vor einem Jahr gibt es innerhalb der Regierung jetzt erneut Überlegungen, eine Rentenreform mit Hilfe eines Änderungsantrages des Haushaltsentwurfs für die Sozialversicherung Sécurité Sociale auf den Weg zu bringen und so das Rentenalter von derzeit 62 auf 64 Jahre anzuheben. Sie könnte aber auch Anfang nächsten Jahres einen Ad-hoc-Gesetzentwurf für eine Rentenreform vorlegen, heißt es in Paris.

Erhebliche Risiko

Egal wie Macron und seine Regierung vorgehen werden: Fest steht, dass sie damit ein erhebliches politisches Risiko eingehen. Denn in den letzten Jahrzehnten hat in Frankreich jeder noch so kleine Versuch, das Rentensystem zu reformieren, zu heftigen Protesten geführt. So brachten Streiks im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft Ende 1995 das gesamte Leben in Frankreich mehrere Wochen lang zum Erliegen, weil der damalige Premierminister Alain Juppé neben der Sozialversicherung auch das Rentensystem reformieren wollte. Er ließ daraufhin die Rentenreform fallen.

Als Sarkozy 2010 die schrittweise Anhebung des 1985 von dem damaligen Präsidenten François Mitterrand von 65 auf 60 Jahre gesenkten Rentenalters um zwei Jahre plante, kam es erneut zu heftigen Protesten. Bahnen standen still und Benzin wurde knapp, da Gewerkschaften Raffinerien besetzten. Macron hat ebenfalls eine Rentenreform auf den Weg gebracht, die im Winter 2019 zu wochenlangen Streiks im öffentlichen Nahverkehr in Paris und bei der Bahn führte.

Über eine geeignete Methode, eine Rentenreform doch durchzusetzen, sind sich selbst die Mitglieder der Regierungspartei nicht einig. Einige prominente Mitglieder haben sich dagegen ausgesprochen, sie mit Hilfe eines Änderungsantrages auf den Weg zu bringen. Oppositionsparteien wie der rechtsextreme Rassemblement National (RN), der in der Nationalversammlung inzwischen 89 Sitze hat, haben bereits Widerstand angekündigt. Der RN werde sich mit aller Macht dagegenstellen, warnte Marine le Pen bereits. Sollte die Regierung versuchen, die Reform mit aller Macht durchzusetzen, würden sie streiken und protestieren, drohen Gewerkschaftsvertreter. In einer kürzlich von IFOP durchgeführten Umfrage sprachen sich 73% für 62 Jahre als ideales Rentenalter aus.

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