Konjunktur

Mehr Auftrieb für Europas Wirtschaft

Verschiedene Konjunkturindikatoren deuten auf einen starken Aufholprozess der europäischen Wirtschaft hin. Nicht nur die Börsenprofis zeigen sich im ZEW-Index hoffnungsvoll, auch die Einkaufsmanager sehen Lichtblicke – manche Ökonomen aber warnen vor zu viel Optimismus.

Mehr Auftrieb für Europas Wirtschaft

Börsenprofis und Einkaufsmanager blicken überraschend optimistisch auf die deutsche Wirtschaft. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur in den nächsten sechs Monaten sprang im Februar um 11,2 auf 28,1 Punkte nach oben, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 171 Analysten und Anlegern mitteilte. Das ist der fünfte Anstieg in Folge. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit 22,0 Zählern gerechnet. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage verbesserte sich ebenfalls unerwartet stark. Allerdings liegt dieser Wert trotz des vierten Abstiegs hintereinander mit minus 45,1 Punkten weiterhin deutlich im negativen Bereich.

„Es sind – wie schon im Vormonat – die verbesserten Ertragseinschätzungen der energie- und exportorientierten Branchen sowie der konsumnahen Wirtschaftsbereiche, die für den Anstieg sorgen“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach die Entwicklung. „Die Erwartungen für die langfristigen Zinsen steigen ebenfalls.“ Banken-Volkswirte erwarten angesichts der verbesserten ZEW-Konjunkturaussichten spätestens ab Frühjahr einen leichten Aufschwung. „Damit zeigen sich weiter Anzeichen einer konjunkturellen Belebung in Deutschland“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch zu der Entwicklung. „Alles in allem können wir angesichts der Rahmenbedingungen zufrieden sein, dass die Konjunktur verhältnismäßig robust geblieben ist.“

Die Bundesbank warnt trotz verbesserter Aussichten vor einer Winterrezession. „Die Wirtschaftsleistung dürfte im ersten Quartal 2023 abermals geringer als im Vorquartal ausfallen“, heißt es im aktuellen Monatsbericht. Ende 2022 war Europas größte Volkswirtschaft nach einem zuvor robusten Wachstum bereits um 0,2 Prozent geschrumpft. Bei zwei Negativ-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.

Die Wirtschaft im Euroraum hat im Februar überraschend deutlich an Schwung gewonnen. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – legte im Januar um 2,0 auf 52,3 Punkte zu, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Dienstag zu seiner Umfrage unter Tausenden Firmen mitteilte. Das ist der beste Wert seit neun Monaten. Damit liegt das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer deutlich über der Marke von 50 Punkten, ab der es ein Wachstum signalisiert. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich einen Anstieg auf 51,0 Zähler erwartet.

„Gestützt wurde der Aufschwung vom verbesserten Ausblick, den nachlassenden Rezessionsängsten und von ersten Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt der Inflation überschritten zu sein scheint“, sagte S&P Global-Chefvolkswirt Chris Williamson. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne daher im laufenden ersten Quartal um 0,3 Prozent wachsen.

Zu verdanken ist der Aufwärtstrend vor allem den Dienstleistern. Hier kletterte das Barometer um 2,2 auf 53,0 Punkte, während das für die Industrie um 0,3 auf 48,5 Punkte etwas nachgab. „Die Industrie profitierte jedoch auch von der stark verbesserten Versorgungslage“, sagte Williamson. „Die pandemiebedingten Lieferverzögerungen, mit denen die Hersteller in den letzten zwei Jahren zu kämpfen hatten, sind kürzeren Lieferzeiten gewichen.“ Das wiederum bremse den Anstieg der Einkaufspreise.

Obwohl sich der Kostendruck im Februar weiter abgeschwächt hat, deutet die Umfrage auf eine teilweise den hohen Lohnsteigerungen geschuldete und weiterhin starke Inflation bei den Dienstleistern hin. „Die Kombination aus beschleunigtem Wachstum und anhaltend hartnäckigem Preisdruck wird in den nächsten Monaten natürlich die Tendenz zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik begünstigen“, sagte Williamson.

In den beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland und Frankreich, fiel die Entwicklung ähnlich aus. Im Dienstleistungssektor besserte sich die Stimmung jeweils, während die Indikatoren in der Industrie leicht nachgaben. In Großbritannien, das weder dem Euroraum noch der Europäischen Union angehört, hellte sich die Gesamtlage kräftig auf. Auch dort entwickelte sich der Dienstleistungssektor besser als die Industrie.

Bankvolkswirte kommentierten die Entwicklung überwiegend positiv, wiesen aber auch auf den anhaltend hohen Preisauftrieb hin. Zusammen mit dem engen Arbeitsmarkt deute dies darauf hin, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik weiter straffen werde, erklärten das Analysehaus Capital Economics. Die Ökonomen von Pantheon Macroeconomics erwarten von der EZB nach der bereits angekündigten Zinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte im März zwei weitere Straffungen um jeweils 0,25 Punkte.

Andererseits zeigen sich manche Volkswirte aber vorsichtig und warnen – wie die Bundesbank im Falle Deutschlands – vor einem zu optimistischen Blick auf die Entwicklung, da der unterliegende Konjunkturimpuls nach wie vor durch Pandemie-Nachholeffekte verzerrt werde. Das gelte insbesondere für den Fahrzeug- und Maschinenbau sowie für konsumnahe Dienstleistungen, weißt etwa Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon hin. Die negativen wirtschaftlichen Effekte der globalen geldpolitischen Straffung würden dann ihren Hochpunkt erreichen, wenn die pandemieinduzierten Nachholeffekte ausgelaufen sind. Er hält die Erholung daher „für ein temporäres Phänomen“. In absehbarer Zeit dürfte der Frühindikator wieder nach unten drehen. Die Konjunkturperspektiven blieben mithin trüb.

Die Unternehmensstimmung in Großbritannien hat sich im Februar deutlich aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex stieg gegenüber Januar um 4,5 Punkte auf 53,0 Zähler, teilte S&P Global in London mit. Damit liegt die Kennzahl sowohl auf dem höchsten Niveau seit acht Monaten als auch über der wichtigen Wachstumsgrenze von 50 Punkten. Die Erwartungen von Analysten wurden auch auf der Insel deutlich übertroffen. Besonders stark besserte sich die Stimmung unter den Dienstleistern. Die Befragten hätten von einer steigenden Nachfrage, geringerer ökonomischer Unsicherheit, weniger Lieferkettenproblemen und einer rückläufigen Inflation berichtet, erklärte S&P. Chefökonom Chris Williamson fügte hinzu, die Entwicklung zeuge von einer ermutigenden Widerstandskraft der Wirtschaft angesichts erheblichen Gegenwinds wie steigende Zinsen, hohe Lebenshaltungskosten, Arbeitskräftemangel und zahlreiche Streiks.