Großbritannien

Neue Korruptionsvorwürfe gegen Tories

Premierminister Boris Johnson blieb der Debatte lieber fern, als es um den Skandal um Owen Paterson ging. Zudem berichtete die „Sunday Times“, Oberhausmandate seien für 3 Mill. Pfund zu haben gewesen.

Neue Korruptionsvorwürfe gegen Tories

hip London

Der britische Premierminister Boris Johnson hat es abgelehnt, sich für den Lobbying-Skandal um den ehemaligen Abgeordneten Owen Paterson zu entschuldigen. Unterdessen berichtete die „Sunday Times“, dass sich eine Reihe von Multimillionären durch Spenden von mehr als 3 Mill. Pfund an die Konservative Partei den Aufstieg ins Oberhaus sichern konnte. „Wir müssen sicherstellen, dass wir das alles sehr, sehr ernst nehmen und dass wir es richtig hinkriegen“, sagte Johnson, der an der gestrigen Aussprache im Unterhaus unter Verweis auf andere Termine nicht teilnahm. Oppositionsführer Keir Starmer hatte sein Verhalten als „korrupt und verachtenswert“ bezeichnet.

„Politisch korrupt“

Das Commons Standards Committee wollte Paterson vergangene Woche wegen seiner bezahlten Beratertätigkeiten für die PCR-Test-Anbieter Randox und Lynn’s Country Foods für 30 Tage suspendieren, die sich aus Sicht des Komitees nicht mit den Lobbying-Standards des Parlaments vereinbaren ließen. Der prominente Brexit-Befürworter kritisierte, dass man ihn schuldig gesprochen habe, ohne ihn vorher anzuhören, und dass die Untersuchung unfair verlaufen sei. Seine Alliierten stellten sich hinter ihn. Am Mittwoch stimmte die Tory-Mehrheit im Unterhaus für eine Verfahrensänderung in solchen Fällen und für die Aufhebung der Suspendierung Patersons. Tags darauf dachte die Regierung angesichts der großen öffentlichen Empörung über den Fall anders. Paterson legte sein Amt als Abgeordneter nieder. Der ehemalige Premierminister John Major nannte den Umgang der Regierung mit dem Parlament „politisch korrupt“. Ihr Verhalten verströme den Eindruck, dass man sich für die Chefs halte.

Wie die „Sunday Times“ und Open Democracy ermittelten, stiegen in den vergangenen zwei Jahrzehnten alle 16 ehemaligen Kassenwarte der Tories ins House of Lords auf – bis auf den vor zwei Monaten zurückgetretenen Ehud Sheleg, einen in Israel geborenen Galerie-Inhaber, der 3,8 Mill. Pfund an die Partei gespendet hatte. Unter ihnen war – entgegen den Empfehlungen der für Ernennungen zuständigen Kommission des Oberhauses – auch Peter Cruddas, der Gründer der CFD-Handelsplattform CMC Markets. „Hat man die 3 Mill. Pfund einmal gezahlt, bekommt man sein Oberhausmandat“, zitiert das Blatt einen ehemaligen Chairman der Partei.

Die Kontroverse um das Nordirland-Protokoll der Austrittsvereinbarung spitzt sich unterdessen weiter zu. Wie die „Daily Mail“ unter Berufung auf Regierungsdokumente berichtet, könnte sich Großbritannien aus den Forschungsprogrammen Horizon Europe, Copernicus und Euratom zurückziehen und der EU Mittel im Umfang von bis zu 15 Mrd. Pfund vorenthalten. Man arbeite an einheimischen Alternativen, sollte die Regierung in den kommenden Wochen den Notstandsartikel 16 des Protokolls in Anspruch nehmen müssen.