Russland

Putins Bluffs

Moskau will seine verbliebenen Verbindungen zu den Finanzmärkten mit allen Mitteln aufrechterhalten. Der jüngste Zahlungsverzug zeigt: Wegen der Sanktionen wird das immer schwieriger.

Putins Bluffs

Die Summe erscheint mickrig, doch der Fall und dessen potenzielle Folgen sind von großer Brisanz: Der russische Staat hat seinen Gläubigern 1,9 Mill. Dollar an Verzugszinsen vorenthalten. Zu diesem Ergebnis ist ein internationales Komitee gekommen, das im Auftrag von Banken und Vermögensverwaltern Streitfragen im Derivatehandel klären soll. Über allem schwebt die Frage: Ist das Finanzministerium in Moskau willens und in der Lage, seine Schulden zu bedienen? Die Antwort auf diese Frage wird über Milliardenansprüche von Investoren entscheiden und über Russlands langfristiges Standing an den globalen Finanzmärkten.

Da ist zunächst die finanzielle Dimension: Die Einschätzung des „Credit Derivative Determi­nations Committee“ macht es wahrscheinlicher, dass Kreditausfallversicherungen greifen. Darüber muss das Gremium noch entscheiden; die nächste Sitzung ist für Montag terminiert. Schätzungen über das Gesamtvolumen einschlägiger Credit Default Swaps (CDS) bewegen sich im niedrigen bis mittleren einstelligen Milliarden-Dollar-Bereich. Anbietern dieser Russland-Po­licen, darunter die Allianz-Tochter Pimco, wird das Schneisen in die Bilanz schlagen – sofern sie ihre mit dem Krieg verbundenen Posten nicht längst abgeschrieben haben.

Politisch lässt Russlands Vorgehen beim Schuldendienst seit dem Überfall auf die Ukraine tief blicken. Es entlarvt die eilig in Gesetzesform gegossene Drohung, Investoren aus verfeindeten Staaten Rubel statt Dollar zu zahlen, als Bluff. Das hat Methode: Schon bei den Zahlungsmodalitäten für Gas hat Putin ein Hintertürchen offengelassen.

Bei den eigenen Verbindlichkeiten läuft das Spielchen so: Moskau reizt Gnadenfristen für Zins und Tilgung aus – und überweist im letzten Moment doch in der vertraglich vereinbarten Währung, um einen Zahlungsausfall zu umgehen. Als Reaktion auf die jetzige Einstufung als säumiger Zahler signalisiert das Finanzministerium Bereitschaft nachzuzahlen. Die Schuld sucht es bei ausländischen Banken.

Russlands Stellung an den Finanzmärkten erodiert. Bonitätswächter haben ihre Ratings wegen der Sanktionen zurückgezogen. Moskau ist offensichtlich daran gelegen, zumindest die verbliebenen Verbindungen zu den Finanzmärkten aufrechtzuerhalten. Wegen der Sanktionen wird das allerdings von Tag zu Tag schwieriger. Nur dank einer Ausnahmegenehmigung amerikanischer Behörden durften US-Banken Zahlungen bearbeiten. Die ist abgelaufen. Ein russischer Zahlungsausfall größeren Ausmaßes rückt näher.

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