Chinas Konjunktur

Schein­stabilität

Chinas Konjunkturperspektiven geben nach offizieller Lesart keinen Anlass zur Sorge. Das gilt aber nur, wenn man über die Konsumschwäche und die Probleme am Immobilienmarkt geflissentlich hinwegsieht.

Schein­stabilität

Stabil, stabil, stabil, lautet das neue Mantra der chinesischen Staatsführung, wenn es um die wirtschaftspolitische Linie für das kommende Jahr geht. Im jüngsten Statement, das weise Ratschlüsse nach Pekings jährlichem Wirtschaftsplanungsgipfel zusammenfasst, findet sich das beruhigende Wörtchen glatt 28-mal und hat auch seine Wirkung auf die Konjunktur-Watcher-Gemeinde nicht verfehlt. In Verbindung mit der Anfang Dezember angekündigten und nun wirksam gewordenen Mindestreservesatzsenkung der Zentralbank aalen sich die Marktteilnehmer in Zuversicht, dass Peking nichts anbrennen lassen wird und die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft mit wohldosierten Stimuli auf Kurs hält.

Die demonstrative Gelassenheit zu Chinas Konjunkturperspektiven wird auch von den Staatsmedien mit auffälligem Eifer ins breite Publikum transportiert, was eine äußerst selektive Darstellung von neuen Konjunkturdaten und Wirtschaftsereignissen erfordert. Über die manifeste Konsumschwäche und eher rumpelige Industrieproduktion gibt es anscheinend nicht viel zu berichten, über die flotte Exportkonjunktur dafür umso mehr. Zum Pkw-Absatz werden imposante Verkaufszuwächse bei E-Fahrzeugen, aber nicht der zweistellige Einbruch des Gesamtmarktes reflektiert. Berichte zum Quasi-Zusammenbruch von Evergrande und zur immer weitere Kreise ziehenden Verschuldungskrise bei Chinas Immobilienentwicklern gibt es nur im Kontext der nach wie vor gewahrten Stabilität am Wohnimmobilienmarkt.

So gesehen bieten die jetzt neu eingelaufenen Aktivitätsdaten für November ebenfalls Anlass, die geordneten Verhältnisse zu besingen. Bei den Wohnungsverkäufen hat sich der heftige Einbruch im Zusammenhang mit der Evergrande-Problematik bei nur noch 17% stabilisiert. Die in China praktisch immer steigenden Wohnimmobilienpreise weisen einen stetigen Abwärtstrend auf, bei den Immobilieninvestitionen sieht es ähnlich aus.

Chinas Binnenkonsum wiederum ist seit Ausbruch der Pandemie nie wieder richtig in Schwung gekommen und damit ein Muster der Verlässlichkeit in Sachen Enttäuschung von Aufschwungserwartungen. Zuletzt lag man im November bei knapp 4% Wachstum der Einzelhandelsumsätze, vor Corona galten weniger als 8% als Alarmsignal. Bei näherem, nämlich inflationsbereinigtem Hinsehen stellt man fest, dass der Retailsektor eigentlich nur um 0,5% zugelegt hat. Das kann man mit einigem guten Willen natürlich auch als stabile Entwicklung bezeichnen.

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