Privater Konsum

Verbraucher­stimmung hellt sich auf

Die Verbraucherstimmung im Euroraum ist im August überraschend etwas besser ausgefallen. Die hohe Inflation allerdings frisst Lohnsteigerungen auf. Und von den Corona-Ersparnissen ist nichts mehr da.

Verbraucher­stimmung hellt sich auf

ba Frankfurt

Die Verbraucher im Euroraum zeigen sich im August trotz der anhaltend hohen Inflation überraschend in etwas besserer Laune. Das von der EU-Kommission erhobene Konsumklima kletterte laut Vorabschätzung um 2,1 auf −24,9 Punkte. Ökonomen hatten mit einem weiteren Rückgang auf −28,0 Zähler gerechnet, nachdem das Barometer im Juli noch auf dem tiefsten je gemessenen Stand notiert hatte.

Die kräftig gestiegenen Verbraucherpreise zehren seit langem an der Kaufkraft der Konsumenten und fressen ihre Ersparnisse auf. Im Juli sind die Verbraucherpreise um 8,9% im Jahresvergleich gestiegen, so stark wie nie in der Geschichte des gemeinsamen Währungsraums. Damit übersteigt die Jahresteuerungsrate das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) um mehr als das Vierfache. Die Euro-Hüter haben Mitte Juli die Zinswende eingeläutet und werden die Leitzinsen kommenden Donnerstag aller Voraussicht nach erneut straffen.

Mittlerweile bekommen aber auch die konsumnahen Dienstleister die trübe Verbraucherstimmung zu spüren, wie die jüngsten Einkaufsmanagerindizes zeigen, aber auch die Bundesbank-Ökonomen in ihrem am Montag vorgelegten Monatsbericht August schreiben. „Vor allem die mit der hohen Verbraucherpreisinflation verbundene Kaufkrafterosion drückte das Verbrauchervertrauen“, und die Verunsicherung sei auf den höchsten bislang gemessenen Stand gestiegen. „Allerdings werden die Aussichten für den Arbeitsmarkt weiter als recht günstig eingeschätzt, und die während der Corona-Pandemie angesammelten Ersparnisse dürften helfen, den privaten Verbrauch aufrechtzuerhalten“, erwartet die Bundesbank.

Im laufenden Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung im Euroraum allenfalls leicht zulegen, nachdem sie im zweiten Quartal noch um 0,6% geklettert war. Die deutsche Wirtschaft wiederum dürfte erneut auf der Stelle treten.

Auch hierzulande bekommen die Verbraucher die Teuerung kräftig zu spüren – die Bundesbank rechnet für Herbst mit einer Jahresrate von 10%. Laut einer Studie des Tarifarchivs des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) gleichen die bislang vereinbarten Tariferhöhungen den Inflationsanstieg bei weitem nicht aus. Und Auswertungen des Ifo-Instituts zufolge sind „die Sparpolster aus der Corona-Zeit bei vielen Haushalten nunmehr abgeschmolzen“. Der private Konsum werde „in diesem Jahr als Konjunkturmotor in Deutschland leider ausfallen“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser zur Analyse der Bankbilanzen, die im „Ifo Schnelldienst“ erschienen ist.

So sind die Einlagen von privaten Haushalten bei Banken zwischen dem zweiten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2021 kräftig angeschwollen. „Legt man die durchschnittliche Sparneigung der fünf Jahre vor Ausbruch der Coronakrise zugrunde, wurden in dieser Zeit gut 70 Mrd. Euro mehr auf den Bankkonten geparkt als üblich“, sagt Wollmershäuser. Im zweiten Vierteljahr setze sich das zum Jahresstart gezeigte Abschmelzen dieser Überschusseinlagen in beinahe unverändertem Tempo fort (siehe Grafik). „Die hohe Inflation dürfte dieses ‚Entsparen‘ der Haushalte maßgeblich getrieben haben“, erklärt Wollmershäuser.

Laut WSI dürften die Tariflöhne gemäß den bisherigen Tarifabschlüssen in diesem Jahr um durchschnittlich 2,9% zulegen, nach Abzug der erwarteten Inflationsrate allerdings um 3,6% sinken. „Nachdem die Tariflöhne in den 2010er Jahren real relativ deutlich zugenommen haben, drohen 2022 für viele Beschäftigte im zweiten Jahr in Folge Reallohnverluste“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Er kritisiert Appelle an die Gewerkschaften maßzuhalten und fordert zusätzliche Entlastungen. Die viel beschworene Lohn-Preis-Spirale sei eine Fata Morgana, und es bestehe „im Gegenteil die Gefahr, dass Reallohnverluste die private Nachfrage weiter schwächen und damit die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich beschädigen“.

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