Notenbanken

Verwirrung über Aufgabe der EZB

In den Krisen der vergangenen Jahre ist die EZB immer wieder für die Politik in die Bresche gesprungen. Jetzt tobt eine Diskussion über die Auslegung des EZB-Mandats. Eine Umfrage heizt die Debatte nun weiter an.

Verwirrung über Aufgabe der EZB

ms Frankfurt

In der breiten Öffentlichkeit herrscht große Konfusion über die tatsächliche Aufgabe der Eu­ropäischen Zentralbank (EZB) – wo­bei es mehr als zwei Drittel als Aufgabe der EZB ansehen, in Not geratenen Euro-Ländern zu helfen, und fast 40%, die Staaten zu finanzieren. Das geht aus einer am Mittwoch vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht hervor, der am heutigen Donnerstag in Gänze vorgestellt wird. Thema der Analyse ist die EZB-Kommunikation.

Laut der in der Analyse zitierten Umfrage aus dem vergangenen Jahr sagen zwar 64% der Befragten, dass es Aufgabe der EZB sei, die Inflation in Schach zu halten. Tatsächlich ist laut EU-Vertrag Preisstabilität das vorrangige Mandat der EZB – das die EZB bei einer Inflationsrate von mittelfristig 2% erfüllt sieht. Sogar 67% sehen es aber auch als Aufgabe der EZB an, Euro-Ländern zu helfen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. 39% nennen sogar explizit die Finanzierung der Staaten als Aufgabe – obwohl die monetäre Staatsfinanzierung laut EU-Vertrag verboten ist. „Die Verwirrung über die Aufgaben der EZB scheint weit verbreitet zu sein“, bilanziert die EZB selbst.

Die Analyse dürfte die Debatte über die Auslegung des EZB-Mandats und die Rolle der Notenbank befeuern. In den Krisen der vergangenen Jahre ist die EZB immer wieder für die Politik in die Bresche gesprungen und hat dabei ihr Mandat nach verbreiteter Einschätzung mindestens weit gedehnt. Umstritten ist vor allem der breite Aufkauf von Staatsanleihen, der nach Ansicht von Kritikern längst den Tatbestand der monetären Staatsfinanzierung er­füllt. Insbesondere in Deutschland sind die Käufe immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet.

Nagel für enges Mandat

Ex-Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Ende vergangenen Jahres auch aus Frust über die EZB-Geldpolitik zurückgetreten ist, hatte erst am Dienstag bei seiner offiziellen Verabschiedung kritisiert, dass sich durch die Krisenmaßnahmen das „Koordinatensystem“ in der Währungsunion verschoben habe. Er mahnte erneut eine enge Auslegung des EZB-Mandats an. Dem hatte sich auch der neue Bundesbankchef Joachim­ Nagel angeschlossen. Andere Euro-Notenbanker sehen das mitunter durchaus anders. Einige Experten fordern zudem, dass die EZB explizit die Rolle als „Kreditgeber der letzten Instanz“ für die Staaten übernehmen müsse, – wie in anderen wichtigen Währungsräumen auch. Im Euroraum gibt es aber keine einheitliche Fiskalpolitik, sondern 19 nationale Finanzministerien.

Derzeit tobt insbesondere eine teils hitzige Debatte darüber, ob die EZB im Kampf gegen den Klimawandel eine größere Rolle spielen und dafür auch explizit die Geldpolitik strikt „grün“ ausrichten sollte – also etwa die Anleihekäufe. Die Meinungen gehen auseinander. Nicht zuletzt Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing warnt immer wieder davor, das Mandat zu weit auszulegen und damit auch überzogene Erwartungen zu wecken. Das führe zu Enttäuschung und schade der Reputation.

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