Werners Visionen für die europäische Währungsunion

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 7.10.2020 Auch wenn heute nicht mehr sehr viele etwas mit seinem Namen anfangen können: Zu den ersten Visionären, die sich ganz konkret mit der Einführung einer europäischen Währung beschäftigt haben,...

Werners Visionen für die europäische Währungsunion

Von Andreas Heitker, BrüsselAuch wenn heute nicht mehr sehr viele etwas mit seinem Namen anfangen können: Zu den ersten Visionären, die sich ganz konkret mit der Einführung einer europäischen Währung beschäftigt haben, gehörte Pierre Werner. Im Oktober 1970 legte der damalige luxemburgische Ministerpräsident als Vorsitzender einer Expertenkommission einen Plan vor, der eine mehrstufige Einführung einer Währungsunion und einer gemeinsamen Währung in der damaligen Europäischen Gemeinschaft bis 1980 vorsah. Aus den verschiedensten Gründen schlug der Werner-Plan fehl – aber, so bemerkte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Werner habe schon damals viel von dem antizipiert, das heute Realität sei. Und dies gelte nicht nur für die Eurozonen-Architektur: Selbst der Schutz der Umwelt sei in seinem Report bereits vorgekommen.Anlässlich des 50. Jahrestages des Werner-Plans waren gestern die führenden Köpfe der heutigen Währungsunion zu einer Online-Debatte zusammengekommen. Es ging auch um die Frage, was aus der schon vor einem halben Jahrhundert angestoßenen und noch längst nicht abgeschlossenen finanziellen Integration in Zeiten der Corona-Pandemie wird. Die EU-Krisenantwort, bestehend aus dem 540 Mrd. Euro schweren Soforthilfepaket, dem neuen mehrjährigen EU-Haushaltsrahmen und dem 750 Mrd. Euro großem Wiederaufbauplan, so viel schien für viele der Runde klar zu sein, spielt für die Zukunft der Eurozone eine wesentliche Rolle. “Spektakulär” sei die Krisenantwort gewesen, sagte Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna. “Unsere Krisenantwort ist bereits der nächste Integrationsschritt”, betonte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Und der neue Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe meint, man habe in den vergangenen Monaten vieles erreicht, das vorher für unmöglich gehalten wurde. Dazu zählte er insbesondere auch noch die weitgehende Einigung, die es schon bei der Einführung neuer Einnahmequellen für den EU-Haushalt gibt.Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, rechnete vor, dass sich das Volumen der von seinem Haus, von der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der EU-Kommission ausgegebenen Anleihen von derzeit 800 Mrd. auf bis zu 2 Bill. Euro erhöhen werde. Diese “Safe Assets” machten die Währungsunion widerstandsfähiger und stärkten zugleich die internationale Rolle des Euro. Was jetzt dringend nötig ist, weiß Regling aber auch: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, an dem er selbst einst mitgeschrieben hat, muss reformiert, die fiskalpolitische Koordinierung muss verbessert und die gestiegenen Schuldenstände müssen schon bald wieder abgebaut werden.Lagarde warnte, die Erholung der Wirtschaft stehe immer noch auf wackeligen Füßen und verlaufe asymmetrisch. Finanzminister Gramegna verwies aber darauf, dass die Politik auch heute noch von Pierre Werner lernen könne. Als er diesen einmal in jungen Jahren getroffen habe, habe dieser ihm mit auf den Weg gegeben, dass es in der Politik immer Hoffnung gebe. Dass das Schlechteste auch eintrete, sei niemals sicher.——Europas Antworten auf die Coronakrise gelten vielen schon als neuer Integrationsschritt.——