Energiekrise

Wirtschaft übt Kritik an Entlastungspaket

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung lässt die Unternehmen mit den Folgen der explodierenden Strom- und Energiepreise allein, kritisieren Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft. Viele Details und die genaue Entlastungswirkung der Maßnahmen sind noch offen.

Wirtschaft übt Kritik an Entlastungspaket

BZ Berlin

Während die Ampel weiter an den Details des am Sonntag vorgestellten dritten Entlastungspakets feilt, haben Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft ihr Urteil über die geplanten Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 65 Mrd. Euro zur Abfederung der rasant steigenden Energiepreise bereits gefällt. „Aus Sicht der Wirtschaft sind die vorgestellten Maßnahmen enttäuschend und unkonkret. Immer mehr Betriebe und Unternehmen sind angesichts explodierender Gas- und Strompreise existenziell bedroht“, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deuschen Industrie (BDI). Die Hilfen für private Haushalte seien richtig und wichtig, betonte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Mit Blick auf die Entlastung der Industrie blieben die Pläne der Ampel aber „nebulös“. Den angekündigten Maßnahmen müssten für die Unternehmen deshalb noch „wuchtige“ Hilfen folgen, forderte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des VCI. Der Ampel fehle der Mut zu einer neuen Energiepolitik, kritisierte Rainer Dulger, Präsident der Arbeitgeberverbände.

Am Sonntag hatten sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP nach einem Verhandlungsmarathon im Koalitionsausschuss auf ein 13-seitiges Papier geeinigt, das unter anderem eine Strompreisbremse, eine Wohngeldreform und Direktzahlungen an Studenten und Rentner auflistet, um sie von den hohen Energiekosten zu entlasten. Den Entlastungseffekt des Pakets bezifferte die Ampel auf gut 65 Mrd. Euro und damit auf etwas mehr als das Doppelte der bereits verabschiedeten ersten beiden Entlastungspakete. Noch sei es zu früh, genaue Zahlen zu nennen, weil dies von den Details einzelner Maßnahmen abhänge, schränkte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag ein. Die Ministerien arbeiteten mit Hochdruck daran, die einzelnen Maßnahmen umzusetzen.

Unter anderem ist noch nicht geklärt, ab welchem Betrag die geplante Strompreisbremse für einen Grundverbrauch von Haushalten greifen soll und wie genau durch die Abschöpfung höherer Preise bei den Erzeugern der Strompreis gesenkt werden soll. Einzelheiten könnten beim EU-Energieminister-Treffen am Freitag geklärt werden, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Montag. Unklar ist auch, wann eine Entscheidung über eine angedachte Gaspreisbremse fallen könnte.

Wie genau die Kosten für das Paket zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden, ist ebenfalls offen. Allein Bayern und Baden-Württemberg rechnen mit zusätzlichen Kosten von 7 Mrd. Euro. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte deshalb eine Ministerpräsidentenkonferenz, bei der auch die Lastenverteilung zur Finanzierung der geplanten Maßnahmen geklärt werden müsse. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) strebe möglichst schnell eine Absprache mit den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten über die beschlossenen Maßnahmen und ihre Finanzierung an, erklärte Hebestreit am Montag. Die Suche nach einem Termin laufe, sagt der Regierungssprecher.

Ökonom warnt vor Illusionen

Ökonomen bewerten die geplanten Entlastungen kritisch. Das beschlossene Paket helfe Menschen mit niedrigen Einkommen, schüre aber auch „die Illusion, alle vor den Folgen der Energieverteuerung weitgehend bewahren zu können, obwohl Deutschland als Nettoimporteur von Energie ärmer geworden ist“, warnte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Delikat sei auch, dass der Staat durch das Abschöpfen sogenannter Zufallsgewinne Energieunternehmen bestrafe, die günstig Strom produzierten.

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