Transatlantisches Verhältnis

Zeitenwende

Ein erster Schritt zur Versöhnung ist gemacht. Mit ihrem Beschluss, die wechselseitigen Strafzölle in Milliardenhöhe auszusetzen, haben US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die viel beschworene Zeitenwende im...

Zeitenwende

Ein erster Schritt zur Versöhnung ist gemacht. Mit ihrem Beschluss, die wechselseitigen Strafzölle in Milliardenhöhe auszusetzen, haben US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die viel beschworene Zeitenwende im transatlantischen Verhältnis eingeleitet. Zweifellos handelt es sich um einen Erfolg, den Amerikaner als tief hängende Früchte bezeichnen. Doch wenngleich der wahre Beziehungstest noch bevorsteht: Hinter der guten Tat steckt mehr als eine rein symbolische Geste.

Washington und Brüssel verzichten – zunächst für vier Monate – freiwillig auf ein Druckmittel, die Gegenseite im Streit über wettbewerbsverzerrende Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing zum Einlenken zu bewegen. Anders als die Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die Ex-US-Präsident Donald Trump mit dem vorgeschobenen und nicht haltbaren Argument der nationalen Sicherheit eingeführt hat, sind die nun ausgesetzten Zölle von der Welthandelsorganisation autorisiert. Das Moratorium kurz nach dem Machtwechsel im Weißen Haus – noch bevor Schaltstellen in der US-Regierung besetzt sind – demonstriert beidseits des Atlantiks die aufrichtige Absicht, den seit Jahren festgefahrenen Konflikt in der Sache lösen zu wollen. Es ist ein ermutigendes Signal, das auch unzählige unbeteiligte Unternehmer und Beschäftigte vom Maschinen- bis zum Weinbauer erlöst. Sie waren es, die für den transatlantischen Handelsstreit die Zollzeche zahlten, obwohl sie mit dem Konflikt in der Flugzeugindustrie rein gar nichts zu tun haben.

Auch auf anderen Gebieten wie Klimaschutz und globale Digitalsteuer ist zu erkennen, dass Brüssel und Washington gemeinsame Sache machen und das transatlantische Verhältnis wiederbeleben wollen. Der Lackmustest zur Versöhnung ist aber der Umgang mit China. Hier hat die Bundesregierung gleich mal für Befremden im Team Biden gesorgt, indem sie auf den letztern Metern ihrer EU-Ratspräsidentschaft ein Investitionsabkommen mit Peking durchgedrückt hat. Biden schwört die Europäer auf eine harte Linie ein und weicht keinen Deut vom Kurs des Handelskriegers Trump ab. Denn Unnachgiebigkeit ge­genüber Peking ist eine der ganz wenigen Gemeinsamkeiten, auf die sich beide Parteien in Amerika noch immer verständigen können. Vom Dax-Konzern bis zum Mittelständler hat die Bedeutung Chinas im Zuge der Pandemie hingegen weiter zugenommen. Daher wird Washingtons Konfrontationskurs in der China-Politik hierzulande gehörige Kopfschmerzen verursachen.

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