LeitartikelVersicherer

Allianz sucht neue Balance

Dividende oder Aktienrückkauf? Die Frage scheidet die Aktionäre. Die Allianz verändert ihre Ausschüttungspolitik. Sie setzt nun auf Wachstum und damit auch auf stark steigende operative Gewinne.

Allianz sucht neue Balance

Ausschüttung

Allianz sucht neue Balance

Dividende oder Aktienrückkauf? Die Frage entzweit die Aktionäre. Die Allianz setzt nun auf Wachstum des Gewinns.

Von Michael Flämig

Die Bilanzvorlage lief in diesem Jahr nicht gut für die Allianz. Dies gilt zumindest, wenn man die Einschätzung der Investoren als Maßstab nimmt. In einem ausgeglichenen Gesamtmarkt ging der Aktienkurs am 23. Februar trotz Rekordgewinns um gut 3% in die Knie. Diese Reaktion ist umso bemerkenswerter, als der Versicherer eine Nachricht mitbrachte, die meist zu Freudensprüngen der Anleger führt: Er schüttet 60% statt bisher 50% des bereinigten Überschusses als Dividende aus und schließt ein Sinken des Betrags pro Aktie weitgehend aus.

Allianz startet ein Experiment

Das Fallen des Aktienkurses wird in Vorstandsetagen aufmerksam registriert. Denn die Allianz startet ein Experiment, das über die Unternehmensgrenzen hinaus relevant ist. Sie hat nicht nur die Dividendenquote erhöht, sondern zugleich den Aktienrückkauf zurückgefahren.

Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte begründet die neue Balance unter anderem mit den Privataktionären, die an einem vorhersehbaren Kapitalmanagement interessiert seien. Sie stellen 99% der Anteilseigner. Naturgemäß gibt es unter ihnen wenig Day Trader, sodass die Kursreaktion am 23. Februar vor allem die Meinungsbildung unter Institutionellen und Hedgefonds widerspiegelt. Diese halten 74% des Allianz-Grundkapitals.

Private contra Institutionelle

Bätes Gegensatz Private contra Institutionelle symbolisiert im Kern eine andere Richtungsentscheidung: Sollen Unternehmen eher die kurzfristig orientierten Anleger oder die Langfristinvestoren – die ja auch unter den Institutionellen stark vertreten sind – bedienen? Schließlich sind Aktienrückkäufe auch auf schnelle Effekte angelegt, die die Firmen angesichts der Börsenhausse mit immer mehr Geld bezahlen müssen. Die Kapitalkosten für die Aktiengesellschaften steigen.

Die Dividende dagegen ist aus Sicht der Anleger ein Anreiz, langfristig investiert zu sein. Wer dies zu Ende denkt, der geht einen Schritt weiter: Er macht nicht nur die Dividende zum Schwerpunkt, sondern fährt über die Zeit den Aktienrückkauf zurück und investiert stattdessen in Wachstum.

Überschüssiges Kapital qua Rückkauf auskehren

Die Allianz beteuert zwar, dass dies nicht geplant ist – man werde alles überschüssige Kapital qua Rückkauf auskehren. Doch: Wer perspektivisch mehr für Wachstum ausgibt, hat vielleicht in ein paar Jahren weniger Geld übrig. Und: Die Zahlen zeigen zumindest ansatzweise eine Tendenz. Im Schnitt der Jahre 2016 bis 2023 hat die Allianz durchschnittlich 78% des Gewinns per Dividende oder Rückkauf weitergegeben. Für das Jahr 2023 werden es nach aktuellem Stand „nur“ 71% sein.

Trotzdem kann die Strategie im Sinne der Aktionäre sein. Schließlich steigert profitables Wachstum den Gewinn – und dies erhöht die Dividende. Konsens ist dieser Ansatz in der Assekuranz keineswegs. Schaden- und Unfallversicherer überweisen den Gewinn schon mal fast vollständig an ihre Teilhaber. Mancher, wie die Axa, verspricht eine Ausschüttung von 75%, egal ob Milliarden für Unternehmenskäufe ausgegeben werden.

Im Quervergleich keineswegs glänzend

Die Kernfrage aus Sicht der Allianz lautet: Kann der Gewinn deutlich nach oben getrieben werden? Im Moment stehen die Münchner im Quervergleich keineswegs glänzend da. Die reinen Industrieversicherer erleben ebenso wie die Rückversicherer einen Boom. Die Resilienz und Widerstandsfähigkeit des Gemischtwarenladens Allianz, die in Krisenzeiten immer ein Asset ist, wird von Anlegern angesichts derartiger Höhenflüge nicht gewürdigt.

Die Allianz hat aber Hebel, besser zu werden. Ein Beispiel: In der Schaden- und Unfallversicherung ließe sich die Profitabilität steigern, wenn ein geringerer Teil der Kunden zu Konkurrenten wechselte. Bäte selbst rechnet Analysten vor, dass der Brutto-Absatz in den relevanten Märkten im Konkurrenzvergleich im oberen Viertel liege und daher der Vertrieb sehr gut sei. Der Netto-Absatz befindet sich aber infolge der vielen Kündigungen von Kunden an der Schwelle zum Mittelmaß.

Letztlich gilt: Die Allianz kann sich eine hohe Ausschüttung und schnelles Wachstum zugleich leisten. Das Verhältnis könnte aber in den nächsten Jahren neu ausbalanciert werden.

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