LeitartikelSartorius

Unsicherheit nach Sonderkonjunktur

Der Corona-Boom hat zu überzogener Euphorie an der Börse geführt. Diese ist nun passé. Nach dem ersten Umsatzrückgang seit über einer Dekade muss der Biopharmazulieferer Sartorius Anleger wieder neu von sich überzeugen.

Unsicherheit nach Sonderkonjunktur

Sartorius

Unsicherheit nach Sonderkonjunktur

Von Carsten Steevens

Der Corona-Boom führte zu überzogener Anlegereuphorie. Die ist passé. Nun muss Sartorius neu überzeugen.

Die Aktienkurse von Unternehmen aus der Life-Science-Branche haben sich im vorigen Jahr verglichen mit dem Gesamtmarkt unterdurchschnittlich entwickelt. Das trifft auch auf den Göttinger Biopharmazulieferer und Laborausrüster Sartorius zu, dessen Vorzugsaktie knapp 10% an Wert verlor, während Dax und TecDax, in denen der Titel vertreten ist, um gut 20% bzw. 14% zulegten. Hintergrund ist die Normalisierung der Nachfrage in der biopharmazeutischen Industrie, die mit dem Ende der pandemiebedingten Sonderkonjunktur erwartet wurde, jedoch länger andauerte als ursprünglich angenommen. Der Lagerbestandsabbau bei Kunden des Life-Science-Sektors ist in der gesamten Breite nach wie vor nicht abgeschlossen. Doch hat es den Anschein, dass die Talsohle bei der Nachfrage in diesem Jahr durchschritten sein dürfte.

Auch Unternehmen aus anderen Branchen blicken infolge der Pandemie auf mehrere Jahre mit Sondereffekten zurück, die den Blick auf fundamentale Wachstumstreiber verstellt haben. Bei Sartorius trug das Geschäft mit Produkten und Komponenten zur Entwicklung und Herstellung von Coronavirus-Impfstoffen sowie Coronatests dazu bei, dass sich Ordereingang und Umsatz von 2019 bis 2022 auf 4 bzw. 4,2 Mrd. Euro mehr als verdoppelten. Überzogene Anlegereuphorie ließ den Aktienkurs 2020 um 80% und 2021 um 73% steigen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr gab es kein Quartal mehr mit Corona-Geschäft. Im Zuge des Lagerbestandsabbaus sowie der Zurückhaltung von Kunden bei Investitionen sank der Umsatz von Sartorius 2023 erstmals seit zehn Jahren.

Eine Verzögerung der erwarteten Erholung in der Bioprozess-Kernsparte BPS, die Technologien für die Herstellung von Biopharmazeutika und Impfstoffen anbietet, sowie eine schwächere Entwicklung im Geschäft der auf Life-Science-Forschung und Pharmalabore spezialisierten Laborsparte hat im vorigen Geschäftsjahr zu zwei Prognosekorrekturen geführt. Die Sartorius-Aktie rutschte mit 217,80 Euro Ende Oktober auf den niedrigsten Stand seit April 2020 ab, hat seitdem aber um gut 50% zugelegt.

Bei dem Konzern, dessen Umsatz und operative Rendite im vorigen Jahr auf höherem Niveau lag als 2019, dem letzten Jahr vor Beginn der Pandemie, zeigt sich seit Ende des dritten Quartals eine Nachfragebelebung in beiden Sparten. Im vierten Quartal übertraf der Auftragseingang erstmals seit Mitte 2022 wieder den Umsatz. Die Book-to-Bill-Ratio, die als Indikator für den mittelfristigen Trend das Verhältnis von Auftragseingang zum Umsatz abbildet, fiel im Schlussabschnitt 2023 auf Ebene des Konzerns und der Bioprozesssparte besser aus als befürchtet. Ferner hat Sartorius mit der Prognose, dass sich die Nachfragebelebung in diesem Jahr schrittweise verstärken dürfte, sowie mit dem neuen Mittelfristausblick auf ein zweistelliges Umsatzwachstum pro Jahr bis 2028 und ein höheres Margenniveau ermutigende Signale gegeben.

Allerdings dürften die Markttrends im laufenden Jahr noch fragil sein. Während das Vertrauen in eine Erholung des Bioprozessgeschäfts zuletzt gestiegen sein sollte, erscheinen die Ziele in der Laborsparte 2024 schwieriger erreichbar. Hier agiert Sartorius in Branchen, deren Entwicklung stärker von wirtschaftlichen Einflüssen abhängt. Zuletzt waren Investitions- und Kaufzurückhaltung für das Unternehmen vor allem bei Kunden in den USA und China spürbar.

Dass die erstmalige Emission von Anleihen mit einem Volumen von 3 Mrd. Euro zur Finanzierung der Akquisition des französischen Gen- und Zelltherapie-Technologiespezialisten Polyplus im vorigen September mehrfach überzeichnet war, zeigt Vertrauen am Kapitalmarkt in das Unternehmen und seinen Kurs an. Dass Sartorius unlängst den Abbau der mit dem bislang größten Firmenzukauf deutlich gestiegenen Verschuldung durch Kapitalerhöhungen von insgesamt 1 Mrd. Euro forciert, ist positiv zu werten, verschafft der Schritt doch mehr Freiraum für strategische Maßnahmen. In den kommenden Quartalen wird die Sicht für das Unternehmen jedoch nicht zuletzt aufgrund der Konjunkturschwäche in einigen Regionen eingeschränkt sein. Sartorius-Prognosen bleiben vorerst mit erhöhten Unsicherheiten behaftet.

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