Digital Services Act

Auf dem Datenbasar

Die EU will die Datenausbeute der Digitalwirtschaft begrenzen. Jedoch wird die Verknappung ihres wichtigsten Rohstoffs nicht zwingend Google und Co am härtesten treffen.

Auf dem Datenbasar

Im jahrelangen Kampf gegen Marktmacht und Machtmissbrauch durch die Giganten der Digitalwirtschaft unternimmt die EU einen neuen Anlauf. Ein umfassender Regulierungsrahmen für digitale Services soll insbesondere auch die Ausbeute von Datenkraken wie Google, Facebook oder Amazon begrenzen und die gesamte Datenökonomie damit auf eine neue Grundlage stellen. Die grundsätzliche Abwehrmöglichkeit von Tracking, Verbote für erzwungene Einwilligungen zur Datenspeicherung- und verwendung sowie der erhöhte Schutz besonders sensibler persönlicher Daten stellen für das bisherige Geschäftsmodell der Technologieriesen einen Schlag da – dessen Wucht allerdings schwer abzusehen ist.

Während die Datensammlung für die Unternehmen bisher nahezu schrankenlos möglich und damit auch gleichsam kostenlos war, wird sich das unter dem Regime des Digital Services Act, wie ihn die EU verabschieden will, erheblich ändern. Um weiterhin in größtmöglichem Umfang an das gewünschte Datenmaterial zu kommen, bedarf es einer klugen und geschickten Sammeltaktik, im Kern einer erkennbaren Gegenleistung, die die Internet-Nutzer dazu bewegen kann, der Digitalwirtschaft weiterhin ihren wichtigsten Rohstoff zur Verfügung zu stellen. Dieser hatte auch bisher schon seinen Preis, wie dies sehr anschaulich in der gigantischen Marktkapitalisierung von Google und Co zum Ausdruck kommt. Jetzt bekommt er indes nicht nur eine Art Stückpreis, sondern womöglich auch ein differenziertes Preisspektrum für unterschiedliche (Daten-)Sorten oder Mengen. Eine neue Art des Datenhandels könnte ent­stehen.

Ob sich damit die Gewichte in der Datenhoheit tatsächlich verschieben, so dass Macht wirksam eingeschränkt und Missbrauch vermieden wird, muss sich zeigen. Ohne Zweifel werden bei der künftigen Datenakquise tiefe Taschen eine entscheidende Rolle spielen, nicht nur weil sich gegebenenfalls Milliarden von Nutzern ganz persönliche Daten wie Geschlecht, Alter, Wohnort oder Beruf direkt abkaufen lassen könnten, sondern weil auch darüber hinaus ein höherer administrativer Aufwand fällig sein wird, um an Informationen zu kommen, die bisher unauffällig „getrackt“ wurden. Damit könnten die großen Datenkraken sogar noch relativ gestärkt im neuen Regulierungsumfeld hervortreten. Die Rohstoffverknappung treibt naturgemäß auch die Preise für die verschiedenen Veredelungsstufen. Die Konzerne werden die Preise für zielgruppengerichtete Werbung und fokussierte Kampagnen anheben und somit ihre erhöhten Aufwendungen teilweise wieder einbringen. Ob all dies kleineren Anbietern in gleichem Maße gelingt, ist nicht ausgemacht.

Daten sind auch der kostbarste Rohstoff für zahlreiche Zukunftstechnologien wie Robotik, Medizintechnik oder autonomes Fahren, die auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhen. Leistungsfähige KI-Technologien benötigen für ihre Entwicklung Tonnen von Daten, damit die Programme dann entsprechend Tonnen von Daten verarbeiten können. Schon heute sind nur sehr wenige Global Player in Ost und West dazu in der Lage, den hohen Aufwand bei Datenakquise, -speicherung- und -verar­beitung zu bewältigen. Künftig wird der Aufwand steigen und die Zahl der KI-Player fallen. Facebook bleibt absehbar ein globales Powerhouse, das derzeit den schnellsten KI-Computer der Welt entwickelt, um selbst an einer neuen virtuellen Welt zu bauen, die im Internet als das „nächste große Ding“ gilt. Nur wenige haben das Zeug da Schritt zu halten.

Die sich abzeichnenden Folgen und Nebenwirkungen eines neuen Regulierungsrahmens, in dem manche schon ein „Grundgesetz im Internet“ sehen wollen, sind kein Grund, den Versuch gleich aufzugeben. Kritiker, die den noch immer fehlenden „Biss“ bemängeln, um dem „überwachungskapitalistischen Ge­schäftsmodell“ der Internet-Riesen wirksam zu begegnen, müssen sich allerdings auch die Kosten einer Regulierung vor Augen führen lassen. Für Europa, dessen Unternehmen an der Daten- und Plattformökonomie bisher nur wenig partizipieren konnten, ist es wichtig, das Regulierungskorsett nicht zu eng zu schnüren, wenn noch ein Aufholprozess ermöglicht werden soll. Das Rennen ist vor allem im Bereich industrieller Plattformen, wo sich mehr Vielfalt abzeichnet als im Consumer-Bereich, noch offen. Um darin erfolgreich zu sein, bedarf es klarer Regeln, aber auch Chancen zur Datenakquise und -verarbeitung.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.