London

Craft Beer aus eigener Herstellung

In Großbritannien findet gerade ein Homebrew-Revival statt. Schon seit Ausbruch der Pandemie setzen immer mehr Briten ihr Bier selbst an. Dabei sind die Eigenmarken der Supermärkte ebenso billig.

Craft Beer aus eigener Herstellung

Die steigenden Lebenshaltungskosten haben dazu geführt, dass wieder mehr Briten ihr eigenes Bier produzieren. Schon während der Pandemie versuchten sich viele als Braumeister. Auf dem Great British Beer Festival der Campaign for Real Ale (Camra) in London wurde diesen Monat ein Imperial Stout mit einem Alkoholgehalt von 16,1 % als bestes Heimwerkererzeugnis ausgezeichnet. Einer von Camra beauftragten Umfrage zufolge sind 56 % der Erwachsenen der Meinung, dass der Schoppen im Pub mittlerweile unbezahlbar geworden ist. In der britischen Metropole kostet er im Schnitt 5,20 Pfund. 8 Pfund sind dabei längst keine Seltenheit mehr. Landesweit werden derzeit 3,50 Pfund verlangt.

Für Pubbetreiber und Brauereien ist es natürlich bitter, wenn ihre Klientel entweder auf die Hausmarken britischer Supermarktketten umsteigt oder selbst Hand anlegt. In den „Manchester Evening News“ erschien vor kurzem ein ausführlicher Test der Billigbiere, bei dem Asdas Bière de Luxe, das aus der französischen Brasserie de Saint-Omer stammt, deutlich besser abschnitt als Aldis Galahad und Lidls Excelsior, deren Design ganz offenkundig von Foster’s beeinflusst wurde. Das untere Ende der Preisspanne lag bei weniger als 60 Pence pro Dose. Das entspricht so ungefähr den Kosten, die bei Herstellung im eigenen Keller anfallen. Finanziell bringt Homebrew also kaum Vorteile. Doch glauben viele Briten offenbar, es besser zu können als die Großbrauereien, die für die Supermärkte produzieren. Schließlich ist Bier mehr als Wasser und Steuern. Craft Beer und Mikrobrauereien haben sie dazu inspiriert. Zumindest gibt es ihnen am Ende die Befriedigung, ein Bier herzustellen, das den eigenen Wünschen entspricht. Bis es so weit ist, dürften allerdings etliche Chargen im Ausguss gelandet oder nur mit Grausen verkostet worden sein.

In Großbritannien gibt es keine Obergrenze, wie viel Bier oder Wein Privathaushalte herstellen dürfen, solange es für den Eigenbedarf erfolgt. Das war nicht immer so: 1880 führte der damalige Premierminister William Gladstone eine Biersteuer ein, nachdem er die Malzsteuer abgeschafft hatte, um der Agrarlobby einen Gefallen zu tun. Plötzlich benötigten Haushalte eine – natürlich gebührenpflichtige – Lizenz, um Bier zu brauen. Zudem wurden sie dabei beaufsichtigt, um sicherzustellen, dass dem Staat Einnahmen zufließen. Das hielt viele Briten nicht davon ab, ohne Lizenz weiterzuproduzieren. Hausfrauen teilten ihre Rezepte und manchmal auch die verwendeten Hefen miteinander. Doch viele Schwarzbrauer wurden vor Gericht gezerrt und abgestraft.

In den 1960er Jahren verfügten nur um die 250 Einwohner Großbritanniens über eine Genehmigung zur Herstellung von Bier und Wein bei sich zu Hause. Doch erwies es sich als äußerst schwer, die gesetzlichen Vorschriften durchzusetzen. 1963 schaffte der konservative Schatzkanzler Reginald Maudling die Einschränkungen aus der viktorianischen Zeit ab. Die Briten durften wieder nach Herzenslust brauen. Die nötigen Ausrüstungsgegenstände waren überall zu haben. Edme verkaufte so viel Malzextrakt an Privathaushalte, dass man damit Millionen von Pints hätte herstellen können. Wenig später brachte die Firma ein vorgehopftes Produkt auf den Markt, mit dem jeder Anfänger mit einem Eimer die Bierproduktion aufnehmen konnte.

In den 1970er Jahren war Homebrew so populär, dass es Einzug in Fernsehserien hielt. Sets mit allen Zutaten waren im Drogeriemarkt zu haben. Der „Mirror“ schätzte die Zahl der DIY-Braumeister auf zwei Millionen. In den 1980er Jahren forderten Pubbetreiber und Kioskbesitzer, die ihr Geld hauptsächlich mit dem Verkauf von alkoholischen Getränken verdienten, eine erneute Besteuerung der Eigenbrauerei. Dazu kam es aber nicht mehr, denn der Boom war an seinem Ende angelangt. Homebrew wurde eine Domäne der Punks, die den geselligen Aspekt der Eigenproduktion zu schätzen wussten. Wenn das Bier fertig ist, muss es getrunken werden. Alleine ist das nicht zu schaffen. Die Briten hatten schließlich genug von den oft zweifelhaften Bieren, die in einem Eimer im Keller oder auf dem Trockenboden kultiviert wurden, dem mitunter fauligen Geschmack und den Kopfschmerzen am Tag danach. Pubbetreiber und Brauereien dürfen hoffen, dass es diesmal ähnlich laufen wird.

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