Brüssel

Dickes B: Berlin, Brüssel und eine neue Bahnlinie

Seit 30 Jahren gibt es schon eine Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Brüssel. Beide Städte haben mehr Gemeinsamkeiten als auf den ersten Blick gedacht.

Dickes B: Berlin, Brüssel und eine neue Bahnlinie

Auf der mehr als 700 Kilometer langen Verbindungsroute zwischen Brüssel und Berlin war in den letzten Wochen noch etwas mehr Betrieb als sonst: Zu den üblichen Regierungsvertretern auf dem Weg zu Gipfeln und Ministerräten, den üblichen Diplomaten der Ständigen Vertretung, die montags und freitags die Ryanair- und Brussels-Airlines-Maschinen bevölkern, zu dem einen oder anderen Zeitgenossen, der gerne seinen Wohnort von hier nach dort verlegen möchte, gesellten sich nämlich verstärkt auch die Lokalpolitiker beider Städte. Es galt schließlich, kurz vor Ablauf des Jahres noch schnell die 30-jährige Städtepartnerschaft zu feiern. Rudi Vervoort, der Ministerpräsident der „Region Brüssel-Hauptstadt“ war daher mit einer Delegation in Berlin gewesen. Networking-Abend. Konzert. Sportveranstaltung. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey brachte zum Gegenbesuch Anfang Dezember gleich den ganzen Senat zu einer Sitzung mit. Am Ende war es aber wohl egal, wo diese stattfand, weil die Besucher auch ihre internen Auseinandersetzungen mit nach Belgien gebracht hatten. „Mega-Zoff um Klima-Volksentscheid“, titelte so auch das Boulevardblatt „BZ“. Frostige Stimmung habe in Brüssel in der Senatssitzung geherrscht. „Frust statt Fritten.“

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Für Brüssel war es 1992 die erste internationale Städtepartnerschaft gewesen. Die belgische Hauptstadt wollte dabei wohl auch vom neuen Glanz der gerade erst wiedervereinigten deutschen Metropole profitieren. Im mehr als drei Mal größeren Berlin wird hingegen offen eingeräumt, dass es bei der Freundschaft eher um die „Nähe zur Europäischen Union“ gehe und die hier vorhandenen Geldtöpfe für Projekte. Beide Seiten schicken heute Beamte, damit sie etwas aus den Verwaltungserfahrungen der jeweiligen Partnerstadt lernen können – oder aktuell vielleicht eher, wie es nicht laufen sollte. Brüssel reicht zum Jubiläum aktuell Know-how im Bereich des nachhaltigen Bauens nach Berlin weiter. Die deutsche Hauptstadt hat dagegen viel mehr Erfahrung im Umgang mit Flüchtlingen –  ein Thema, bei dem sich Brüssel immer wieder überfordert zeigt.

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Das belgisch-niederländische Bahnunternehmen „European Sleeper“ hat in dieser Woche angekündigt, die beiden Hauptstädte noch etwas mehr zu verbinden: Ab Ende Mai 2023 sollen zunächst drei Mal pro Woche wieder Nachtzüge zwischen Brüssel und Berlin sowie zwischen Berlin und Brüssel fahren. Abfahrt Berlin um 22.56 Uhr, Ankunft Brüssel um 9.27 Uhr. „Politico“ klagte bereits, dass dies leider ein bisschen spät für deutsche Europaabgeordnete und Kommissionsbeamte sei, die Montags früh ankämen. Daran dürfte das Nachtzug-Start-up aber kaum scheitern. Ankunft Berlin ist übrigens um 6.48 Uhr. Dafür startet der Zug dann auch schon um 19.22 Uhr – für viele viel zu früh.

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Vielleicht hilft die neue Bahnverbindung ja ein wenig, die Städtepartnerschaft B/BXL doch noch mit etwas mehr Leben zu füllen. Denn eines ist auch klar: Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als auf den ersten Blick ersichtlich. Was dem einen sein Brandenburger Tor, ist dem anderen sein Triumphbogen im Jubelpark, was dem einen Street Art, sind dem anderen seine Comic-Wände. Dazu die politischen Machtansprüche in beiden Städten und die kleine Piefigkeit, die von der ganzen Internationalität und Kultur nicht übertüncht werden konnte. Auch das Hadern mit sich selbst ist in beiden Städten zu finden. „Auch wenn ich manchmal das Chaos aufgeben und ganz von vorne anfangen könnte. Brüssel, ich werde weiterspielen. Die guten Tage kommen immer irgendwann“, heißt es im Lied „BXL Bleuette“ der französischen Sängerin Françoiz Breut, einer Hommage an ihren Wohnort Brüssel. Die Berliner Band „Seeed“ antwortet mit: „Dickes B, Home an der Spree. Im Sommer tust du gut und im Winter tut’s weh.“ Ist es so? Wir werden sehen.                          (Börsen-Zeitung,