Kolumne „Unterm Strich“

Die Blasen am Immobilien­markt

Die Luft in den Immobilienpreisen wird nur langsam entweichen – wenn überhaupt. Aber bei den Finanzierungsinstrumenten könnten Blasen platzen.

Die Blasen am Immobilien­markt

Manche Blase erkennt man erst, wenn sie platzt. Die wenigsten Überbewertungen an den Märkten freilich lösen sich mit lautem Knall und somit schlagartig auf. Die Regel ist vielmehr das wenig spektakuläre, aber nachhaltige Entweichen der Luft. So wird es auch am Immobilienmarkt sein, für den die Schweizer Großbank UBS dieser Tage ihren Global Real Estate Bubble Index vorgelegt hat (vgl. BZ vom 12. Oktober). Die Erkenntnis der Studie, dass der Wohnimmobilienmarkt weltweit ins Stocken geraten ist und demnächst Preiskorrekturen nach unten zu erwarten seien, ist nach der Zinswende der Notenbanken und den Aussichten auf eine weltweite Rezession nicht der Erwähnung wert. Das Gegenteil wäre eine Nachricht.

Aufmerksamkeit hat der Bubble Index hierzulande dennoch ausgelöst, weil unter den Top 5 der Metropolen mit dem größten Blasenrisiko neben Toronto, Zürich und Hongkong zwei deutsche Städte aufgeführt sind: Frankfurt auf Platz 2 und München auf Platz 4. Müssen sich jetzt Wohnungseigentümer und Hypothekengläubiger in der deutschen Finanzmetropole und in der bayerischen Landeshauptstadt Sorgen machen? Eher nein. Jedenfalls nicht mehr Sorgen als in anderen deutschen Städten. Zwar stehen die beiden Städte seit Jahren in Deutschland auf den Hitlisten der jährlichen Preiszuwächse wie auch der absoluten Preise bei Wohnimmobilien ganz oben. Doch in Relation gesetzt zum jeweiligen Mietpreisniveau in diesen Städten handelt es sich keineswegs um Ausreißer. Für Frankfurt errechnet sich eine Preis-zu-Miete-Relation von 40, für München von 41, aber für Kassel 42, für Leipzig sogar 43 und beispielsweise für Leverkusen und Berlin immerhin noch von 35 beziehungsweise 30. Diese Relation gibt an, wie viele Jahresmieten eine vergleichbare Eigentumswohnung kostet. Da in den vergangenen Jahren nicht zuletzt aufgrund der Niedrigzinsen und der damit erleichterten Finanzierungen die Kaufpreise wesentlich schneller geklettert sind als die Mieten, hat die Relation ein ungesundes Niveau erreicht. Denn für einen 30-jährigen Wohnungsinteressenten heißt dies, dass er erst als Rentner den Break-even seines Investments erleben würde.

Angebot bleibt knapp

Wird sich diese Relation mit der Zinswende wieder in Richtung früherer Level von 20 bis 25 bewegen? Das wäre ja nur möglich, wenn die Mieten deutlich stiegen und die Kaufpreise in den Keller gingen. Das freilich ist nicht zu erwarten. Mietpreissteigerungen sind in Deutschland rechtlich und marktbedingt viele Grenzen gesetzt, von der Koppelung an Mietspiegel bis zur Einkommensentwicklung der Haushalte. Viele Mieter werden allein durch die Energieverteuerung bis an ihre finanziellen Grenzen belastet. Spielraum für Mieterhöhungen ist da kaum. Und auch die Inflation wird sich – wenn überhaupt – erst mit großem Time-lag in steigenden Mieten niederschlagen können.

Auf der anderen Seite werden die Kaufpreise nicht auf breiter Front sinken. Denn das Angebot bleibt knapp. Das Ziel der Bundesregierung von 400000 neuen und bezahlbaren Wohnungen pro Jahr, davon 100000 Sozialwohnungen, ist ein frommer Wunsch, der nur durch ständige Wiederholung im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ nicht in Erfüllung gehen wird.

Im Gegenteil erwarten Marktexperten, dass die bis 2020 noch gestiegenen Baufertigstellungen 2022 wie schon 2021 sinken. Bis Jahresende 200000 neue Wohnungen wären schon ein Erfolg, Skeptiker rechnen angesichts von immer noch gestörten Lieferketten und Bauverzögerungen nur mit 150000.

Die Baukosten dagegen werden kaum sinken. Im dritten Quartal 2022 legten die Herstellungskosten für Neubauten um 16,5% zu, getrieben von steigenden Materialkosten, aber auch Fachkräftemangel und Lohnkosten. Der Inflationsdruck wird die Preise hochhalten.

Parallel verteuert sich die Finanzierung durch steigende Zinsen. Für Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung beispielsweise haben sich die Kosten seit Jahresanfang vervierfacht, nämlich von knapp 1% auf nunmehr knapp 4% effektiven Jahreszins. Die Folge ist, dass private Käufer wie auch Projektentwickler Vorhaben auf Eis legen, weil sie sich nicht mehr rechnen. Geradezu von jetzt auf nachher eingebrochen sei in der Folge das Immobilienfinanzierungsgeschäft, berichten denn auch Banken und Sparkassen.

Letzteres sollte für die Institute keine Überraschung sein. Denn es ist eine Entwicklung, die auch in den USA, wo die Zinswende schon eher eingeleitet wurde, zu beobachten war. Seit die US-Notenbank Fed im Frühjahr mit ihren Zinserhöhungen begann, hat sich der Zins für 30-jährige Hypotheken auf derzeit 6,7% gut verdoppelt, den höchsten Stand seit der Finanzkrise im Jahr 2008. Die Hausverkäufe sind eingebrochen, allein im August um ein Fünftel gegenüber dem Vorjahresmonat. Immobilienmakler, Finanzierungsvermittler und Bauträger in den USA klagen über einen scharfen Geschäftsrückgang seit der Zinswende der Fed.

MBS-Markt hochvolatil

Die Entwicklung auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt kann Beobachtern, die die Finanzkrise und deren Entstehung vor 17 Jahren in Erinnerung haben, Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Denn es waren unter anderem die Wertverluste der Mortgage-Backed Securities (MBS) nach dem Platzen der Immobilienblase, die zur Banken- und Finanzkrise führten. Eine zu leichtfertige Kreditvergabe an Hauskäufer und die Bündelung dieser Kredite in MBS waren damals der Sprengsatz.

Nach der Wiederbelebung dieses Finanzierungsvehikels vor drei Jahren unter Präsident Donald Trump und massiven MBS-Käufen durch die US-Notenbank während der Pandemie, die mit Ende des Quantita­tive Easing endeten, könnte der äußerst volatile MBS-Markt abermals Auslöser von Turbulenzen am Finanzmarkt werden. Manche Bubble erkennt man eben erst, wenn sie platzt.

c.doering@boersen-zeitung.de

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