Kartellrecht

Falscher Anlass

Eine Debatte über schärfere Kartellgesetze ist sinnvoll und notwendig. Der Fehlschlag beim Tankrabatt liefert dafür aber keine geeigneten Argumente.

Falscher Anlass

Hat es eigentlich irgendjemanden überrascht, dass die Benzinpreise nur Tage nach Einführung der temporären Steuersenkung wieder fast auf ihr ursprüngliches Niveau zurückgeklettert sind? Dass der Versuch, Pendler und Vielfahrer an der Zapfsäule durch einen staatlich finanzierten Rabatt zu entlasten, vor allem hübsche Sondergewinne für die Ölkonzerne bringt?

Tatsächlich zeigen Statistiken, dass die um Steuern und Abgaben bereinigte Differenz zwischen dem Rohölpreis und dem Benzinpreis an der Tankstelle in den Tagen nach dem Start des „Tankrabatts“ zugenommen hat. Mit höheren Beschaffungskosten allein können die Kraftstoffanbieter also nicht begründen, weshalb Benzin und Diesel wieder so rasch über 2 Euro je Liter geschnellt sind. Wahr ist eben auch: Die Margen sind gestiegen. Und mit ihnen die Enttäuschung und Empörung der Verbraucher.

Die Bundesregierung wägt daher Methoden, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Eine Übergewinnsteuer, wie sie mehrere Bundesländer ins Spiel gebracht haben, ist in der gegenwärtigen Regierungskonstellation weder durchsetzbar, noch wäre sie wirtschaftspolitisch sinnvoll: Der „Griff in die steuerpolitische Mottenkiste“ hat, wie an dieser Stelle vor zwei Tagen bereits ausgeführt, schon bei früheren Versuchen nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Weshalb der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nun einen anderen Weg sucht, Konzerne für ihre Mitnahmementalität zur Rechenschaft zu ziehen – und ihn beim Bundeskartellamt findet. Vielmehr: in einer Verschärfung des Kartellrechts.

Im Kern fordert Habeck eine „Beweislastumkehr“. Schließlich hatte Kartellamtschef Andre­as Mundt, angesprochen auf den wirkungsarmen Tankrabatt, erst vor wenigen Tagen gesagt, der Nachweis von Preisabsprachen oder vergleichbaren Kartellverstößen, der ihm Durchgriffsmöglichkeiten gäbe, sei nun mal sehr schwierig zu führen. Im Falle der Ölkonzerne vermutlich sogar unmöglich, weil es auf dem transparenten Öl- und Kraftstoffmarkt gar keine expliziten Absprachen brauche, damit sich die Preise angleichen. „Weder das Bundeskartellamt noch eine andere Behörde in Deutschland kann (…) Preise auf Knopfdruck senken. Hohe Preise und auch das Erwirtschaften von hohen Gewinnen ist nicht verboten.“

Genau hier setzt Habecks Argumentation für ein Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ an: Die Aufsichtsbehörden sollten künftig davon ausgehen, dass es sich um ein Kartell handele, wenn die Wirkung an den Märkten entsprechend sei. Schon dann soll es möglich werden, so formuliert das Ministerium martialisch, in „vermachteten Märkten unverdiente Gewinne abschöpfen“ zu können und – als Ultima Ratio – Unternehmen zu zerschlagen oder, vornehmer formuliert, Marktstrukturen zu entflechten.

Dass die adressierten Konzerne das schon angesichts der eher grobschlächtigen Rhetorik wenig erbaulich finden, ist keine Überraschung. Gleichwohl ist es wichtig, eine Debatte über den Handlungsspielraum der Kartellaufsicht zu führen. Schließlich führen hochkomplexe und langwierige Marktmissbrauchsverfahren oftmals zwar zu empfindlichen Geldstrafen, selten aber zu wirklich nachhaltigen Veränderungen der Marktstrukturen. Es ist eine hochrelevante und sensible Aufgabe auszutarieren, wie eine Verschärfung der Kartellregeln gelingen kann, ohne dabei die Rechts- und Investitionssicherheit für Unternehmen zu zerstören. Nichts anderes unterstreicht der Ökonom Michael Hüther, wenn er warnt: „Eine Argumentation, die auf Gefühlen basiert, geht nicht.“ Hier liegt die Aufgabe der Politik: Die wohldurchdachte Gestaltung staatlicher Durchgriffsmöglichkeiten in dysfunktionalen Märkten –  um strukturelle Fehlentwicklungen aufzulösen und Anreize für Wettbewerb zu schaffen.

Tragisch nur, dass ausgerechnet der vorhersehbare Fehlschlag beim Tankrabatt nun den Anlass liefert. Die verfehlte Politik im Kampf gegen steigende Benzinpreise und galoppierende Lebenshaltungskosten ist explizit kein geeignetes Argument für eine Nachschärfung des Kartellrechts. Sie diskreditiert den Vorstoß als populistischen Versuch, eine von Anfang an schlechte Idee nachträglich zu heilen. Gut 3 Mrd. Euro kostet der Sprit-Zuschuss die Steuerzahler. Hinzu kommen rund 2,5 Mrd. Euro für das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr, das statt Pendlern bislang vor allem Ausflügler in überfüllte Züge lockt. Eine nachhaltige Lenkungswirkung entfaltet keine der Maßnahmen. Stattdessen liefern sie einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass Eingriffe des Staates in die Preisbildung selten Gutes bewirken. Nicht mehr und nicht weniger.

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