CEO-Wechsel

Fresenius im Formtief

Ein Konzernumbau zu Ausverkaufspreisen wird Fresenius nicht weiterhelfen, die Rückkehr zu alter Ertragsstärke kann nicht über Nacht gelingen.

Fresenius im Formtief

­Die Enttäuschung der Anleger sitzt tief: Die Aktien von Fresenius und ihrer Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) stehen seit langer Zeit erheblich unter Druck; der Kursverfall ist immens, Milliarden an Marktwert haben sich in Luft aufgelöst. Auch mit dem jüngst überraschend angekündigten be­schleunigten Wechsel an der Vorstandsspitze von Fresenius hat sich die Stimmung der Anleger nur kurz aufgehellt. Es wird ein mühsamer Weg für den neuen Konzernchef Michael Sen, das Vertrauen am Kapitalmarkt zurückzugewinnen. Das Gleiche gilt für die neue FMC-Chefin Carla Kriwet, die zeitgleich am 1. Oktober das Ruder übernimmt, auch wenn hier der Wechsel lange angekündigt war und nun nur einige Monate vorgezogen wird. Auch sie bekommt keine Vorschusslorbeeren von Investoren.

Für Fresenius ist der seit 2018 zu beobachtende Leistungsabfall ein dramatischer Reputationsverlust. Der Konzern galt einst als Wachstumsperle im Markt. Ein Unternehmen, das in der Lage war, innerhalb von 20 Jahren den Umsatz von 4 Mrd. auf fast 40 Mrd. Euro zu hieven. Die Aktivitäten in regulierten Märkten versprachen stabile Erträge und Cashflows aus einem Geschäft mit solventen Kostenträgern im Gesundheitswesen. Dieses Renommee ist erst mal dahin.

Die einst stabile Ertragsbasis ermöglichte eine hohe Fremdkapitalfinanzierung. Traditionell spielten Akquisitionen eine große Rolle in der Unternehmensstrategie, gleichzeitig legte das Management Wert auf substanzielles organisches Wachstum. In der Blütezeit war Fresenius dafür bekannt und geschätzt, in guter Regelmäßigkeit die Prognosen zu erhöhen und Jahr für Jahr neue Rekorde einzufahren. Zuletzt wurden die Anleger dagegen immer wieder kalt erwischt, als Jahres- und Mittelfristziele überraschend gekappt wurden. Das hat dem langjährigen CEO Stephan Sturm am Ende den Job gekostet.

Das Drama nahm 2018 seinen Anfang, als sich die geplante Übernahme des US-Pharmaanbieters Akorn als Fehlgriff erwies – mit 4,75 Mrd. Dollar die bis dato zweitgrößte Akquisition von Fresenius. Das Objekt der Begierde war mutmaßlich in betrügerische Machenschaften verstrickt. Fresenius musste die eigene Haut retten und den Deal abblasen. Es gelang zwar ein professioneller Ausstieg, allerdings belastet von langwierigen Rechtsstreitigkeiten und hohen Beraterkosten. Das Akquisitionsdesaster schwächte das zuvor herausragende Transaktionsprofil des Unternehmens. Das Trauerspiel gewann an Dramatik, als die Dialysetochter FMC im Herbst 2018 wegen Problemen im wichtigen US-Geschäft mit einer Gewinnwarnung schockte. Das Vertrauen der Anleger war verspielt.

Mühsame Versuche, die Reputation im Kapitalmarkt wiederzugewinnen, machte nach ersten Erfolgen der Ausbruch der Corona-Pandemie zunichte. Von Covid-19 wurde und wird Fresenius an mehreren Stellen getroffen. Die Krankenhaustochter Helios musste in ihren Kliniken Intensivbetten für Coronapatienten reservieren, musste höhere Kosten stemmen und hatte Einbußen bei den planbaren Behandlungen. Dialysepatienten können die Blutwäsche zwar auch in Pandemiezeiten nicht verschieben, doch das Geschäft von FMC ist davon belastet, dass überproportional viele chronisch Nierenkranke an Corona sterben. Dazu kommen steigende Personalkosten und -engpässe in einem an sich stabilen Geschäftsmodell. Noch tiefer wurden die Sorgenfalten der Anleger, als beim FMC-Wettbewerber Davita in einem Gerichtsurteil in den USA grundlegende Regeln von privaten Krankenversicherungen zur Erstattung von Behandlungskosten infrage gestellt wurden. Hier dürfte im Markt noch lange Verunsicherung darüber herrschen, welche Folgen das Urteil für die ganze Branche am Ende hat.

Die Bemühungen von Fresenius, bei den Anlegern mit der halbherzigen Ansage zu punkten, dass die diversifizierte Konzernstruktur nicht in Stein gemeißelt und das Unternehmen bereit sei, neue Kapitalquellen anzuzapfen, liefen ins Leere – zumal den Worten keine Taten folgten. Der scheidende CEO Sturm verfolgte bis zuletzt beherzt das Ziel, über forcierte Sparmaßnahmen doch noch zu beweisen, dass die Profitabilität auch im Konglomerat wieder zu alter Stärke zurückfinden kann –  Fresenius ist ja auch alles andere als in einer fatalen Ertragssituation oder Notlage. Derzeit würde ein radikaler Portfolioumbau zu Ausverkaufspreisen aus der Position der Schwäche zwar die Käufer freuen, für das Unternehmen aber nicht zielführend sein. Es ist also Geduld gefragt.

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