Brüssel

Frittenkrise ohne Ende

Die Inflation macht in Belgien auch vor den rund 5.000 Frittenbuden nicht halt. Das Buhlen um die Pommes-Fans wird jetzt noch schwieriger.

Frittenkrise ohne Ende

In Belgien schlägt die Nationale Vereinigung der Fritürenbetreiber – kurz: Navefri – mal wieder Alarm. Die böse Inflation macht halt auch nicht vor den rund 5000 Frittenbuden im Land halt. Im Schnitt seien die Preise in den vergangenen Monaten allerdings sogar um 10% bis 20% gestiegen, klagte der Verbandsvorsitzende Bernard Lefèvre kürzlich gegenüber der Zeitung „De Morgen“. Der Frittensektor sei deutlich stärker von den Preissteigerungen betroffen als andere Branchen. Und dies treibt den Navefri-Verantwortlichen, die gerne die „soziokulturelle Bedeutung der Frittenbudenkultur“ in Belgien hervorheben, natürlich tiefe Sorgenfalten ins Gesicht. Entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette machen sich die Preissteigerungen bemerkbar. Die Energiekosten haben sich mindestens verdoppelt, die Mitarbeiter wollen mehr Geld.

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Und dann ist da ja noch dieses Problem mit dem Sonnenblumenöl: Offenbar kamen vor Kriegsausbruch zwei Drittel des Öls, das die belgischen Pommesproduzenten benutzten, aus der Ukraine und auch aus Russland. Die Ukraine ist ohnehin einer der weltweit größten Sonnenblumenöl-Exporteure. Der Belgische Rundfunk (BRF) zitierte Lefèvre damit, dass im Frühjahr Panik aufgekommen sei, nachdem es Berichte über einen drohenden Speiseölmangel gegeben hatte. Alle hätten versucht, sich einzudecken. Das habe zu einer Überreaktion der Märkte geführt. Die ganze Zeit sei darüber berichtet worden, wie die Preise für Speiseöl weiter stiegen, – und deswegen hätten die Menschen noch mehr Öl gebunkert, was wiederum zu noch höheren Preisen geführt habe. Ein Teufelskreis.

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Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie war die belgische Frittenindustrie in die Krise gerauscht, weil der Umsatz einbrach und die Landwirte ihre Kartoffeln nicht mehr loswurden. Die Kühlkammern waren randvoll. Zeitweise lagerten 750000 Tonnen Kartoffeln, die eigentlich zu Pommes verarbeitet werden sollten, ohne Abnehmer in den Lagern. Der Verband der kartoffelverarbeitenden Indus­trie (Belgapom) sah sich im Frühjahr 2020 zum Aufruf genötigt, die Belgier sollten doch bitte schön mehr Fritten essen – was offensichtlich auch gewirkt hatte. Schon Ende des Jahres war von Krise keine Rede mehr, das Geschäft lief wieder rund. In Brügge legte ein Unternehmer damals satte 180000 Euro auf den Tisch, um eine der beiden Frittenbuden auf dem Marktplatz in der historischen Altstadt zu übernehmen. Wohlgemerkt: Es ging hier um eine alte Holzbude, und die jährliche Standgebühr von 125000 Euro war in dem Preis auch noch nicht inklusive.

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Allein in Flandern zählt der Navefri etwa 2700 Imbissbuden, 1500 in der Wallonie und in Brüssel noch zusätzliche 300. Der Wettbewerb zwischen den Fritüren, wie sie in Belgien heißen, und das Buhlen um Aufmerksamkeit der Pommesfreunde waren auf jeden Fall schon vor dem Inflationsschub hoch. In der Hauptstadt steht immer noch das „Maison Antoine“ hoch im Kurs, wo längst nicht nur Angela Merkel schon gesehen wurde. Einige Kritiker behaupten allerdings, dass die Qualität der Kartoffelsticks nach dem Umbau vor einigen Jahren abgenommen hat und bessere Pommes ohnehin auf dem Platz Flagey oder vor der Kirche Notre-Dame de la Chapelle zu haben sind. Oder Antwerpen: Dort gibt es immerhin die bekannte „Frituur No. 1“ in der City, die mit ihrer „Stoofvleessaus“ (Schmorfleisch-Soße) wirbt. Neuer Star im Antwerpener Fritten-Game ist allerdings die „Frieterij“ im Stadtteil Berchem, seit im Sommer an einem Samstagabend unverhofft der Sänger Nick Cave mit Begleitung hier aufkreuzte und im Vorfeld seines Konzerts in der Stadt erst einmal Pommes und eine der hausgemachten Champignon-Kroketten bestellte. Fritten­buden-Besitzer Leonard Glazema hoffte zugleich auf einen regelrechten Ansturm auf seine Pilzkroketten. Zumindest für ihn wäre die aktuelle Preiskrise damit wohl leichter zu ertragen.