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Italienischer Luxus boomt trotz globaler Konjunkturschwäche

Vor allem im Luxussegment weisen Italiens Unternehmen starke Zuwächse auf. Doch der Erfolg von Bella Italia ist bedroht, vor allem weil zunehmend Fachkräfte fehlen.

Italienischer Luxus boomt trotz globaler Konjunkturschwäche

Italienischer Luxus ist weltweit gefragt

In vielen Branchen spielen Unternehmen aus dem Bel Paese in der Champions League

Von Gerhard Bläske, Mailand

So langsam nimmt die von dem berühmten Architekten Renzo Piano gestaltete New Waterfront, die den Zugang Genuas zum Meer attraktiver machen soll, Gestalt an. Davon profitiert auch der Salone Nautico. Die noch bis zum 26. September dauernde weltweit drittgrößte Jachtenmesse ist ein Schaufenster der Branche. Der Umsatz der italienischen Hersteller, die den Markt dominieren, stieg 2022 um 20% auf 7,3 Mrd. Euro, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen.

Stefano Pagani Isnardi, Direktor des Büros für Studien und Projekte des Branchenverbandes Confindustria Nautica, erwartet 2023 erneut zweistellige Zuwachsraten.

Die Italiener sind vor allem im Segment der Super-Luxus-Jachten führend. Das Exportvolumen erreichte im ersten Halbjahr mehr als 3,7 Mrd. Euro. Nach Angaben von Saverio Cecchi, Präsident von Confindustria Nautica, sind Italiens Produzenten damit vor den Niederlanden, den USA, Frankreich und Deutschland die Nummer 1 unter den Exporteuren.

Die Produktion ist bei einigen Produzenten bis 2026/27 ausgelastet. Ähnlich wie bei Ferrari und Lamborghini ist die Käufergruppe für Luxusjachten – Multimillionäre und Milliardäre – nicht konjunkturabhängig. Die Zahl der potenziellen Kunden wächst global massiv. Auch immer mehr jüngere Kunden wollen sich eine Luxusjacht zulegen. Zu traditionellen Kunden etwa aus den USA und Großbritannien kommen verstärkt Käufer aus dem Mittleren und Fernen Osten.

Die Konsolidierung schreitet voran. Der führende italienische Hersteller Azimut Benetti sowie die börsennotierten Ferretti Group aus Cattolica (Emilia Romagna) und Sanlorenzo aus Ameglia bei La Spezia haben neue Kapazitäten erworben. Um die Investitionen stemmen zu können, hat die Eigentümerfamilie Vitelli von Azimut Benetti (Umsatz 1,2 Mrd. Euro), Weltmarktführer bei Jachten über 24 Meter Länge, 33% der Anteile an den saudi-arabischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) abgegeben.

Guidance erhöht

Bei der Ferretti Group, zu der Marken wie Pershing, Itama und Wally, aber auch die 170 Jahre alte Riva-Werft gehören, hat der chinesische Großaktionär Weichai die Beteiligung im Zuge eines Dual Listing auch in Mailand (nach Hongkong) auf 37,5% reduziert. Sanlorenzo, Nummer 2 in der Branche, hat die Guidance für das Gesamtjahr angehoben. Analysten der Bank Intesa Sanpaolo erwarten für 2023 einen Jahresumsatz von 840 (Vorjahr: 744) Mill. Euro und einen Nettogewinn von 87,5 (74,2) Mill. Euro.

Italien verfügt im Luxussegment über ein weltweit einzigartiges Know-how – ob in den Bereichen Mode, Autos, Jachten, Möbel, Fahrräder, Lebensmittel oder Motorräder. Marken wie Lamborghini, Ferrari, die zum Piaggio(Vespa)-Konzern gehörenden Motorradproduzenten Moto Guzzi und Aprilia, die Audi-Tochter Ducati, die Fahrradmarken Bianchi und Pinarello, Illy und Lavazza, diverse Weinproduzenten, Sanlorenzo, Gucci, Versace, Armani, Bulgari, Prada oder Tod’s sind weltweit gefragt. Wichtigste Auslandsmärkte sind Deutschland, die USA, zunehmend aber auch asiatische Länder wie China oder der Mittlere Osten.

Die Audi-Tochter Lamborghini und Ferrari sind auf Jahre ausverkauft und eilen von einem Rekordjahr zum nächsten – mit Margen von 30% und mehr. Ähnlich gut läuft es bei den italienischen Premium-Fahrrad- und Komponentenherstellern wie Bianchi, Pinarello und Colnago oder Campagnolo und Selle Royal (Sattel), die global führend sind und das Interesse internationaler Investoren wie Telemos Capital, Chimera Investments (Abu Dhabi) und Wise Capital geweckt haben, die beim Reifenhersteller Vittoria, Colnago bzw. Selle Royal eingestiegen sind. Immer mehr Käufer sind bereit, bis zu 20.000 Euro für ein Velo hinzulegen.

In der Modebranche spielt Italien traditionell nicht nur ganz vorn, sondern vor allem ganz oben mit. Die Branche verzeichnete im ersten Halbjahr zweistellige Umsatzzuwächse und steht für etwa 1,3% des Bruttoinlandsprodukts. Verkauft wird nicht nur ins Ausland direkt sondern auch in den Luxusboutiquen in Italien selbst: Kaufkräftige Touristen nehmen für sich und ihre Lieben gern auch eine „Kleinigkeit“ aus einer der vielen Luxusboutiquen mit.

Nach Ansicht des früheren IWF-Ökonomen Carlo Cottarelli, heute Professor an der Università Cattolica in Mailand, kann sich Italien auf „die Stärke des Made in Italy verlassen, insbesondere im Luxussektor“. Die Qualität der Produkte sei kultiviert und verbessert worden, statt auf Massenproduktion zu setzen, sagt er der Börsen-Zeitung. Und für Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder SDA Bocconi School of Management, steht das „Made in Italy für Schönheit, Know-how, Zuverlässigkeit und Präzision“.

Italien hat 2022 die Ausfuhren um 20% auf 625 Mrd. Euro gesteigert. Doch viele strukturelle Probleme sind nach Meinung von Eurgenio Puddu, Partner der Management- und Strategieberatungsgesellschaft Deloitte, ungelöst. „Italiens Unternehmen sind im internationalen Vergleich häufig zu klein, um in großem Stil einen Export aufzubauen.“ Ohne Allianzen für die Ausfuhren „könnten sie mittelfristig in ihrer Existenz bedroht sein oder von ausländischen Investoren aufgekauft werden, die sich überlegen, ob sie deren lokaler Geschichte und Wurzeln die Priorität einräumen oder möglicherweise den Standort verlagern, was zu einem Verlust von Arbeitsplätzen und Kompetenzen führen würde“.

Auch die Investitionen in Nachhaltigkeit, neue Antriebsformen (Lamborghini, Ferrari), in Digitalisierung und neue Materialien verschlingen viel Geld. Speziell in der Modebranche sind viele italienische Unternehmen von ausländischen Konkurrenten aufgekauft worden, vor allem von den französischen Konzernen LVMH und Kering. Das war nicht zum Nachteil der Italiener, denn die Übernehmer haben die Fertigungen in Italien meist kräftig ausgebaut. Gefährlich ist die demografische Entwicklung. Es fehlt Fachpersonal. „Viele Unternehmer, vor allem in wirtschaftlich starken Regionen wie Venetien, finden kein qualifiziertes Personal mehr“, sagt Cottarelli. „Es war gut, dass die Regierung die Kontingente für die legale Einwanderung von 50.000 auf 80.000 pro Jahr erhöht hat“, sagt er. „Aber wir brauchen zwischen 200.000 und 250.000 Zuwanderer im Jahr, auch um unsere Rentenausgaben finanzieren zu können.“ Das ist gerade in diesen Zeiten ein heikles Thema, und Ministerpräsidentin Meloni spricht darüber nur ungern.

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