Bahnverkehr

Italiens schnelle Züge auf Auslandsexpansion

In Italien floriert der Bahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr. Das Flugzeug kommt etwa zwischen Mailand und Rom dagegen nur noch auf einen Marktanteil von 15 bis 20 %.

Italiens schnelle Züge auf Auslandsexpansion

Von Gerhard Bläske, Mailand

Seit dem 18. Dezember verbindet der High-Speed-Zug „Frecciarossa 100“ zweimal täglich Mailand direkt mit Paris – in knapp sieben Stunden. Die neue Verbindung, die schon ab 29 Euro für die einfache Fahrt angeboten wird, soll eine breite Offensive der Hochgeschwindigkeitszüge der italienischen Staatseisenbahn ein­leiten.

Voraussetzung dafür war die europaweite Öffnung des Bahn-Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Auch die französische SNCF steuert mit ihren TGV-Zügen nun Mailand an. Und von 2022 an sollen die italienischen Frecce (Pfeile), die von Hitachi und der Alstom-Tochter Bombardier gebaut werden, auch durch Spanien rauschen. Trenitalia ist dafür eine Partnerschaft mit der spanischen Air Nostrum eingegangen. 74 Verbindungen pro Tag sind geplant, Madrid-Barcelona, Madrid-Valencia, Madrid-Malaga-Sevilla. In Griechenland betreiben die Italiener bereits die Verbindung Athen-Saloniki, in Großbritannien mit Partner First Group London-Glasgow und demnächst die High-Speed-Strecke London-Birmingham-Manchester. Auch über den Betrieb innerfranzösischer Strecken zwischen Paris und Bordeaux, Paris und Marseille sowie von Paris nach Brüssel und Amsterdam wird nachgedacht. Der Auslandsumsatz der italienischen Staatseisenbahn von derzeit 13% soll signifikant wachsen.

In Italien sind die schnellen Züge ein riesiger Erfolg. Im Winterfahrplan stehen allein 140 tägliche Verbindungen­ zwischen Mailand und Rom, 36 davon nonstop. Die 670 Kilometer werden in 2 Stunden 59 überwunden. Jeweils eine Stunde mehr dauert es, wenn man aus Turin reist oder bis nach Neapel weiterfährt. Neben den zwei Hauptlinien Turin-Mailand-Rom-Neapel bzw. Salerno gibt es die Ost-West-Verbindung Turin-Venedig.

32 Mrd. Euro hat Rom in diese Verbindungen investiert. Weitere 25 Mrd. Euro sieht allein das europäische Wiederaufbauprogramm für den weiteren Ausbau vor, dazu kommen nationale Mittel. Im Bau sind Mailand-Genua und Neapel-Bari. Weitere Projekte sind die Strecke von Neapel nach Kalabrien und in Sizilien zwischen Palermo, Messina und Catania. Im Bau ist auch die Strecke über den Brenner nach Österreich. Und auch bei der lange blockierten Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Turin und Lyon soll es nun endlich weitergehen. Die Fahrtzeit würde sich damit, vermutlich ab 2031, um fast zwei Stunden auf zwei Stunden verkürzen.

Trenitalia ist mit den schnellen Frecciarossa-Zügen durchaus wettbewerbsfähig und das liegt auch an der Konkurrenz, die es in Italiens Hochgeschwindigkeitsverkehr schon lange gibt. Die von der amerikanischen Global Infrastructure Partners (GIP) kontrollierte Gesellschaft Italo, deren Präsident Ex-Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo ist, hat nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 40% und hat ebenfalls Auslandsambitionen. Dem Ökonomen Andrea Giuricin von der Mailänder Bicocca-Universität zufolge hat sich das Passagieraufkommen in Italien innerhalb von sieben Jahren verdoppelt, wobei die Preise um 40% gesunken sind.

Für die Reisenden ist der Wettbewerb also von Vorteil. Das Flugzeug kommt etwa zwischen Mailand und Rom nur noch auf einen Marktanteil von 15 bis 20%. Fast 500 Millionen Reisende sind innerhalb von zehn Jahren auf die schnellen Züge umgestiegen. Die Reisenden können in Stoßzeiten alle 20 Minuten einen Zug zwischen den beiden Metropolen besteigen und dabei zwischen vier Klassen wählen. Wer Wert auf Komfort legt, kann quasi ein rasendes Büro, inclusive eines mehrgängigen Essens, buchen.

Wohlstandsgewinne

Die Züge sind meist pünktlich. Doch wie störanfällig die Sache ist, zeigte ein Unfall mit zwei Toten im vergangenen Jahr. Es wurde zu wenig in die Signaltechnik und die Elektronik investiert. Und der Bau eines unterirdischen Bahnhofs am Knotenpunkt Florenz hat sich um Jahre verzögert. Gibt es eine Störung, kann dies einen Rattenschwanz von Verzögerungen nach sich ziehen. Trotzdem sind Italiens schnelle Züge ein Erfolgsmodell, das Ökonomen zufolge messbare Wohlstandsgewinne gebracht hat. Die Herausforderungen für Trenitalia und Wettbewerber Italo liegen nun in neuen Verbindungen in Italien selbst, aber auch im Ausland. Es gibt weitere Projekte. In Thailand, in den USA, in Südafrika und in Saudi-Arabien. Auch Deutschland, wo Italiens Staatseisenbahn bisher nur im Regionalverkehr tätig ist, sowie Österreich hat die Staatseisenbahn im Visier.