Italien

Massensterben von Volksbanken und Sparkassen

Die meisten der italienischen Volksbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind in den vergangenen Jahren verschwunden durch Fusionen und Übernahmen. Ob das für die Unternehmen ein Problem ist, ist umstritten.

Massensterben von Volksbanken und Sparkassen

Von Gerhard Bläske, Mailand

Italiens Bankenlandschaft hat seit 2015 eine tiefgreifende Transformation erlebt. Es verschwanden nicht nur hunderte von Instituten: Unter den hundert verbliebenen selbständigen Bankengruppen sind auch kaum noch Volksbanken, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken.

Zuletzt verlor die Banca Popolare di Sondrio ihren Status als Volksbank. Gegen ihren Willen mussten die 2610 Anteilseigner Ende Dezember der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zustimmen. Nach diversen Gerichtsentscheidungen blieb den Aktionären, die in der 150-jährigen Geschichte immer eine Dividende erhalten hatten, nichts anderes übrig, als grünes Licht für die Um­wandlung zu geben. Die Grundlage dafür hatte 2015 Ministerpräsident Matteo Renzi gelegt: Seine Regierung beschloss die Umwandlung aller Volksbanken mit einer Bilanzsumme von mehr als 8 Mrd. Euro in Aktiengesellschaften. Ziel war es, die Institute zu Fusionen zu bewegen und sie damit zu stärken. Denn infolge der Finanzkrise hatten viele Probleme bekommen und mussten vom Staat gerettet werden.

Von den einst 474 Volksbanken sind nur noch rund 20 übrig. Die Institute, die noch 2015 für 20 bis 25% des gesamten Marktes standen, repräsentieren heute nur noch einen Bruchteil davon. Die Zahl der Geschäftsstellen ging seit 2015 um 4902 auf 1244 zurück. Von den damals zehn größten Volksbanken landeten vier bei Intesa Sanpaolo, die die guten Teile der Volksbank von Vicenza und Veneto Banca für einen symbolischen Euro erhielt, während die schlechten Risiken an die staatliche Bad Bank Amco gingen. Italiens größte Bank bekam obendrein noch einen Risikoaufschlag von 5 Mrd. Euro gezahlt, für den die Steuerzahler aufkommen mussten.

Zwei weitere Volksbanken (Etruria, Lazio) gingen an die Ubi Banca, die inzwischen von Intesa Sanpaolo übernommen wurde. Crédit Agricole übernahm Friuladria und Creval. Aus der Fusion der Banca Popolare di Milano und der Veroneser Banca Popolare entstand die BPM, Italiens drittgrößte Bank. Auch die Banca Popolare dell’Emilia Romagna (BPER) aus Modena ist eine der wenigen Überlebenden unter den großen Volksbanken: Sie steht vor der Übernahme der Genueser Carige und hält, über ihren Großaktionär Unipol, 9% an der Banca Popolare di Sondrio, die irgendwann bei BPER landen könnte, glauben Beobachter.

Übrig geblieben sind einige Volksbanken in Süditalien sowie die Südtiroler Volksbank, die gerade Rekordzahlen vorgelegt hat, sowie die Volksbank von Bari, die nach Jahren der Misswirtschaft und krimineller Machenschaften mit 1,6 Mrd. Euro vom Einlagensicherungsfonds FITD der Privatbanken und vom Staat gerettet wurde. Ein privater Partner dürfte sich nur schwer finden – zumal das Institut immer noch tiefrote Zahlen schreibt.

Verschwunden ist auch der größte Teil der Sparkassen, von denen nur noch rund zehn übrig sind, darunter die Südtiroler Sparkasse, die nach schwierigen Jahren für 2021 Rekordgewinne vorgelegt hat und die Civibank im friaulischen Cividale übernehmen möchte. Die etwa 280 Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken mussten sich, mit Ausnahme der 39 Südtiroler Raiffeisenkassen, auf staatlichen Druck hin in zwei Holdings zusammenschließen.

Nach Ansicht von Giovanni Sabatini, Generaldirektor des Bankenverbandes ABI, wird sich die Konsolidierung fortsetzen. Es gebe noch immer „eine sehr diversifizierte Bankenlandschaft mit großen Banken, lokal tätigen Banken unter dem Dach von zwei genossenschaftlichen Gruppen, die die lokalen Gegebenheiten gut kennen, und Digitalbanken“. Kleinere Institute hätten ihren Platz, „wenn sie gut geführt sind. Uniformität bzw. eine große Bank für alle ist nicht sinnvoll“, findet er.

Andere Beobachter wie Ex-Ubi-Präsident Andrea Moltrasio, der auch beim Industriellenverband Confindustria eine führende Rolle hat, sind weniger optimistisch. Er räumt zwar ein, dass viele Probleme der Vergangenheit auf der zu engen Symbiose von lokalen Entscheidungsträgern mit Banken- und Firmenvertretern zurückzuführen waren, was Kunden, Anteilseignern und Steuerzahlern immense Schäden zufügte. Der Niedergang vieler dieser Institute hat auch mit unprofessionellen Anlagen, Korruption und Vetternwirtschaft zu tun. Viele Anleger wurden vom Staat entschädigt.

Doch auf der anderen Seite brauche gerade Italien mit seinen vielen mittelständischen Unternehmen den engen Kontakt auf lokaler Ebene, findet Moltrasio. Die Großbanken könnten auf Basis reiner Daten nicht richtig entscheiden und kennten die Un­ternehmen oft zu wenig, sagen lokale Unternehmer. Lokale Banken hätten in der Vergangenheit auch bei der Realisierung lokaler Vorhaben oder als Sponsoren kultureller und sportlicher Ereignisse eine zentrale Roll gespielt, die nun verloren gehen könnte.

Es braucht große Banken

Stefano Caselli, Bankenprofessor der Mailänder Bocconi-Universität, setzt dem entgegen, dass die Zeit der kleinen Volks- und Genossenschaftsbanken vorbei ist. „Das Geschäftsmodell hat sich verändert. Es braucht heute keine kleinen Banken mehr, die lokal verankert sind, sondern große Banken mit einer anderen Governance, die Investoren anlocken und in der Lage sind, in neue Technologien zu investieren.“ Die Herausforderung bestehe darin, „Geschäftsstellen zu unterhalten, die kleine Banken werden“.

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