Frankfurt

Mit Metaxa am Opernplatz-Strand

Die leidgeplagten Frankfurter Clubbetreiber werden erfinderisch. Nun sollte die Stadt Möglichkeiten finden, ihnen trotz berechtigter Corona-Auflagen unbürokratischer entgegenzukommen.

Mit Metaxa am Opernplatz-Strand

Deutschbanker mit Büro in den oberen Stockwerken der Frankfurter Zwillingstürme dürfte beim Blick aus dem Fenster demnächst ungewohntes Urlaubsfeeling packen. Denn auf dem nahegelegenen Opernplatz wollen die Betreiber des Gibson Club im August ein Beach-Areal eröffnen und mit 500 Tonnen Sand sowie Möbeln und Pergolen aus Griechenland mediterranes Flair schaffen. Dass die Fontänen des Lucae-Brunnens in der Platzmitte wohl erst nach dem vierten Metaxa dunkel an die Wogen der Ägäis erinnern, soll dabei kein Hindernis sein.

Das Beach-Club-Vorhaben ist ein Beispiel dafür, dass die Frankfurter Ausgehszene angesichts der weiter unklaren Corona-Perspektiven erfinderisch wird. Generell schreibt sich die Mainmetropole ja auf die Fahnen, dass ihr Feierabend- und Nachtleben im Gegensatz zu jenem vermeintlicher Party-Hauptstädte mehr bietet als seelenlose Großräume, in denen Feierwütige zu unmelodischer Musik von einem Bein auf das andere treten und, falls sie verwegen gestimmt sind, mit dem Kopf rucken, während sie zu Wucherpreisen erworbenen Wodka Cranberry schlürfen. Der Charme der Ausgehszene in Mainhattan, so das gerne bemühte Narrativ, steckt in der Mischung aus Elektro-Diskotheken, Live-Musik-Clubs und Jazz-Lounges – sowie den alternativen Etablissements im Bahnhofsviertel.

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Indes verläuft die Wiederöffnung für Betreiber von Ausgeh-Locations aller Couleur recht unbefriedigend. Einige Clubs halten die Türen trotz Lockerungen geschlossen, weil sich die Öffnung unter den geltenden Auflagen für sie nicht lohnt. Ihnen bleibt wie auch anderen deutschen Großraumdiskotheken zunächst nur die Erinnerung an die rauschenden Partynächte vor der Pandemie, deren Szenen der „Spiegel“ so eindrücklich mit den Worten „Junge Menschen sitzen vor Eimern mit übergroßen Wodkaflaschen auf Eis, Frauen posieren für Gruppenbilder, Männer gucken nicht mehr ganz geradeaus“ (wie auch, wenn immer übergroße Wodkaflaschen und posierende Frauen im Weg sind?) beschreibt. Dass der Gesetzgeber Nahkampf-Schwofen noch nicht zulässt und die Disco-Gäste nur mit Negativnachweis abzappeln dürfen, erscheint vernünftig. Allerdings verlagert sich das Nachtleben einfach wieder in die Parks, wo die Polizei zuletzt vermehrt Zusammenkünfte auflösen musste, weil sich die Teilnehmer nicht an die Regeln hielten.

Dagegen gab Clubbetreibern, die sich erkundigten, ob sie mit zusätzlichen Tischen vor dem Eingang einige der Nachtschwärmer anlocken könnten, das Ordnungsamt laut Lokalpresse gleich eins auf die Finger. Vielleicht ließen sich doch noch Möglichkeiten finden, der für die Entwicklung der städtischen Wirtschaft nicht zu unterschätzenden Clubszene unbürokratisch zu helfen. Zumal an ihr auch die Alkoholindustrie hängt, der daran gelegen sein muss, dass mehr Menschen außer Haus Spirituosen gluckern.

Derweil gilt es für die Clubbesucher, das Glas als halb voll zu betrachten. So dürften Party-Begleiterscheinungen wie der Hörsturz, der entsteht, wenn die Bässe wummern und einem das Gegenüber aus wenigen Millimetern im Kasernenhofton ins Ohr brüllt, aufgrund der Abstandsregeln wohl vorerst entfallen – ebenso wie der Zeitvertreib, Möchtegern-Partyhelden auszuweichen, die beim Tanzen eher aussehen, als wollten sie einen Kleinlaster aus einer besonders engen Parklücke winken.

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Auch geografisch herrscht Bewegung im Nachtleben. Der Musikclub Zoom etwa, dessen Mietvertrag in der Innenstadt nicht verlängert wird, zieht ins östlich gelegene Fechenheim – für Frankfurter Städter ist das fast schon Nowosibirsk. Das Partyvolk wird sich davon aber kaum abschrecken lassen, schließlich spielt sich das Frankfurter Nachtleben seit jeher zu bedeutenden Teilen in der Peripherie ab – sogar im oft naserümpfend betrachteten Offenbach. Und an der Adresse, an der das Zoom künftig zu Hause sein soll, war einst auch das von Star-DJ Sven Väth gegründete Cocoon ansässig. Vielleicht verirrt sich sogar der ein oder andere Deutschbanker mal wieder dorthin – falls er nicht vorher mit dem vierten Metaxa in der Hand am Opernplatz-Strand liegen geblieben ist.